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Der Tagesspiegel: Berlin kauft Ökostrom zweiter Wahl

Berlin (ots)

Der ökologische Nutzen durch den Umstieg des Landes
auf Ökostrom existiert möglicherweise nur auf dem Papier. Grund dafür
ist die Gestaltung der Ausschreibung durch die Finanzverwaltung. In 
der wurde zwar die CO2-Bilanz des Stroms berücksichtigt, aber kein 
Mindestanteil für Strom aus neuen Anlagen verlangt. Eine solche Quote
fordert beispielsweise ein vom Bundesumweltministerium und 
Umweltbundesamt (UBA) schon vor Jahren herausgegebener Leitfaden zur 
Ausschreibung von Ökostrom. Denn nur diese Quote sichert, dass die 
Versorger tatsächlich in den Ausbau erneuerbarer Energien 
investieren. Ohne die Vorgabe kann auch solcher Ökostrom geliefert 
werden, der ohnehin längst produziert wird. Gegen den ist zwar nichts
einzuwenden, aber er hat keinen Zusatznutzen. Laut der UBA-Empfehlung
darf nur die CO2-Minderung durch Ökostrom aus nagelneuen Anlagen zu 
100 Prozent angerechnet werden. Bei maximal sechs Jahre alten Anlagen
werden noch 50 Prozent Minderung akzeptiert, bei mehr als zwölf Jahre
alten gar keine mehr. Die von der Finanzverwaltung genannte 
CO2-Vermeidung von 460.000 Tonnen pro Jahr ist demnach reine Theorie.
Der Energielieferant Vattenfall wollte sich zur Herkunft des 
Stroms fürs Land nicht äußern. Aber die Finanzverwaltung gibt 
Auskunft: Es handele sich um sogenannte Recs-Zertifikate, heißt es. 
Mit diesen Zertifikaten können Stromanbieter eine bestimmte 
Strommenge als "Öko" etikettieren und diese Eigenschaft an ihre 
Kunden - in diesem Fall ans Land Berlin - weitergeben. Gekauft wird 
also kein Strom, sondern nur die Eigenschaft "öko". Das Recs-Etikett 
darf auch auf solchen Ökostrom geklebt werden, der ohnehin produziert
wird und zuvor einfach ohne diese formale Veredelung ins Stromnetz 
eingespeist wurde. Der Professor Uwe Leprich von der Saarbrücker 
Hochschule für Technik und Wirtschaft hat kürzlich in einer Studie 
für die Umweltorganisation Greenpeace ermittelt, dass die 
ausgegebenen Recs-Zertifikate im Jahr 2007 zu 92 Prozent für zumeist 
norwegische Wasserkraftwerke vergeben wurden, von denen viele längst 
abgeschrieben sind. Da laut der Studie das ohnehin vorhandene 
Ökostrom-Angebot viel größer ist als die Menge der europaweit 
nachgefragten Zertifikate, bewirke ein so konstruiertes Angebot 
"aktuell und auf absehbare Zeit in aller Regel keinen ökologischen 
Zusatznutzen", resümiert Leprich. Das gleiche Fazit zieht der 
UBA-Leitfaden: Recs-Zertifikate seien zum Nachweis geforderter 
Umwelteffekte "grundsätzlich nicht geeignet".
Während das in der Berliner Ausschreibung nicht berücksichtigt 
wurde, haben Bremen und Bremerhaven ihren Ökostrom entsprechend dem 
UBA-Leitfaden ausgeschrieben. Im Ergebnis erhalten die Städte seit 
Jahresbeginn überwiegend Strom aus neu gebauten Wasserkraftwerken. 
Die Mehrkosten gegenüber konventionellem Strom liegen bei 1,2 
Prozent. Für Berlin ergibt sich ein Aufpreis von weniger als 0,2 
Prozent, wenn man die von Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) im
Abgeordnetenhaus genannten Öko-Mehrkosten von 150.000 Euro zugrunde 
legt. Nach Tagesspiegel-Informationen hat Vattenfall dem Land 
allerdings nicht nur dieses zwar formal korrekte, aber ökologisch 
fragwürdige Schnäppchen angeboten, sondern auch einen Ökostrom mit 
realem Nutzen. Doch der schied offenbar aus, weil er teurer war.
Der Text steht ab sofort zu Ihrer Verfügung bei Nennung der 
Quelle.
Für Rückfragen: (030) 26009-292.

Pressekontakt:

Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622
cvd@tagesspiegel.de


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