Der Tagesspiegel: Propaganda für Neonazi auf Homepage des Bundestages
Thierse und Pau protestieren gegen NPD-Text über rechtsextremen Kandidaten zur Wahl des Bundespräsidenten
Berlin (ots)
Berlin - Der Mann ist Neonazi, verehrt Rudolf Heß und verachtet die Bundesrepublik. Frank Rennicke genießt in der rechtsextremen Szene Kultstatus, weil er als Liedermacher Texte formuliert, die dem Gemüt seiner "Kameraden" entsprechen. Diesen Mann haben NPD und DVU Anfang April als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Der Liedermacher kann sich der Abscheu aller Demokraten gewiss sein, doch auf der Homepage des Bundestages wurde Rennicke überraschend pfleglich behandelt. Neben Bundespräsident Horst Köhler und den Gegenkandidaten von SPD, Gesine Schwan, und Linkspartei, Peter Sodann, fand sich am Mittwoch der Neonazi als Kandidat - mit Foto und einer Beschreibung, die dem "Vorstellungstext" von NPD und DVU entnommen ist. Ohne distanzierenden Hinweis wurde Rennicke als "jüngerer Bewerber für das Amt des Bundespräsidenten" und "nationaler Barde" präsentiert, der "eine moderne, national-alternative Opposition getreu Artikel 20 des Grundgesetzes" verkörpere, "unbequem, nicht angepasst und volksnah". Die NPD freute sich über die Gratis-Propaganda und hat am Mittwoch, was einmalig sein dürfte, in einer Pressemitteilung auf die "Netzadresse" des Parlaments verwiesen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) reagierte verärgert: "Der Bundestag darf nicht zulassen, dass er als Propagandainstanz der NPD missbraucht wird." Amtskollegin Petra Pau (Linke) monierte, "die Bundestagsverwaltung ist keineswegs verpflichtet, jemanden zu bewerben, der die Bundesrepublik verächtlich macht". Eine Sprecherin der Verwaltung sagte dem Tagesspiegel: "Wir haben die Neutralität zu wahren." Und es gebe einen "deutlichen Hinweis" auf Distanz: Viele Aussagen im Text von NPD und DVU zu Rennicke seien in den Konjunktiv gesetzt worden. Das zeige, "dass sich der Bundestag den Inhalt nicht zu eigen macht". Thierse und Pau reagierten rasch. Sie beschwerten sich bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der sofort handelte. Der Eintrag zu Rennicke wurde noch am Mittwoch gelöscht und durch eine kurze Mitteilung biografischer Daten des Neonazis ersetzt.
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