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Der Tagesspiegel: Lauterbach: Bezahlte Studien in Arztpraxen sind "legale Form der Korruption"

Berlin (ots)

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat die
zunehmende Zahl sogenannter Anwendungsbeobachtungen in Arztpraxen als
"legale Form der Korruption" kritisiert. Wenn die Pharmaindustrie 
Medizinern die Verschreibung bestimmter Medikamente honoriere, 
bevorzugten sie diese natürlich gegenüber gleichwertigen anderen 
Arzneimitteln - "und womöglich sogar  dann, wenn sie sich für den 
Patienten leicht nachteilig auswirken", sagte Lauterbach dem Berliner
"Tagesspiegel" (Freitagsausgabe) Mit den so genannten 
Aufwandsentschädigungen der Pharmaindustrie  könnten Ärzte "pro Jahr 
leicht 20 000 bis 30 000 Euro zusätzlich generieren". Als 
Arbeitsleistung werde von ihnen "oft nur verlangt, ein 
Din-A-4-Formular auszufüllen und es aufs Fax zu legen".
Allein im vergangenen Jahr gabe es nach Angaben der 
Kassenärztlichen Bundesvereinigung in deutschen Arztpraxen 85 000 
registrierte Anwendungsbeobachtungen. Hochgerechnet hätte sich 
demnach mindestens jeder zweite niedergelassene Arzt für eine 
Arzneistudie an seinen Patienten bezahlen lassen. Tatsächlich habe 
man aber keinen Überblick über die Mehrfachteilnahme bestimmter 
Ärzte, sagte KBV-Sprecher Roland Stahl. Ingesamt wurden 
Anwendungsstudien für 235 Präparate registriert. Die Zahl der 
Studienteilnehmer steige seit Jahren, sagte Stahl, 2008 erhöhte sie 
sich erneut um knappe fünf Prozent.
Deutschland sei ein "Eldorado der Anwendungsbeobachtung", sagte 
Lauterbach. Bei den honorierten Arzneistudien handle es sich um "das 
meistverbreitete Marketinginstrument der Industrie", die Pharmafirmen
wüssten, dass sie teure Produkte "anders nicht mehr in den Markt 
gedrückt bekommen". Dabei sollten mit den Studien   nicht nur andere 
Arzneimittel verdrängt werden. Ein Ziel sei es auch, dass Patienten 
schon in einem Diagnose- oder Krankheitsstadium behandelt werden, in 
dem dies  unnötig oder zumindest fragwürdig sei. Da die Patienten 
davon in vielen Fällen  nicht einmal wüssten, seien die Studien in 
höchstem Maße unethisch. Es handle sich um dasselbe Prinzip wie bei 
den so genannten Fangprämien, die niedergelassene Ärzte für die 
Überweisung ihrer Patienten an bestimmte Krankenhäuser erhalten.
Die Forderung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, das 
Meldeverfahren für Anwendungsbeobachtungen zu verbessern, nannte der 
SPD-Politiker heuchlerisch. "Dadurch registriere ich die Korruption, 
verhindere sie aber nicht", sagte Lauterbach. Helfen könne nur ein 
grundsätzliches Verbot und die Verpflichtung, sich wirklich nötige 
Beobachtungen ausdrücklich genehmigen zu lassen. "Mit ihrem 
unethischen Marketing verplempert die Industrie das Geld, das für 
seriöse klinische Studien fehlt."
Bei Rückfragen: 030/26009-882 (Rainer Woratschka) oder 
030/26009-389 (Politikredaktion).

Pressekontakt:

Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622
cvd@tagesspiegel.de


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