Der Tagesspiegel: zum Thema Stasi-Affäre um Günter Wallraff
Berlin (ots)
Der Schriftsteller Günter Wallraff sieht sich durch Stasi-Protokolle vom Verdacht einer aktiven Mitarbeit beim DDR-Geheimdienst entlastet. In einem Interview mit dem Tagesspiegel zitierte er folgende Einschätzung der Stasi über Wallraff: "Keine Ergebnisse gab es auf dem Gebiet der Personenhinweisbearbeitung." Weiter sagte er: "Deshalb hatte ich ja Einreisesperre ab 1976." Wallraff bleibt bei seiner Darstellung und sagte dem Tagesspiegel: "Das hat absolut nichts mit mir zu tun." Ausführlich beschreibt er im Gespräch mit der Zeitung, welche Kontakte er in die DDR hatte. Im Rückblick bedauert der Autor, dass er das, "was wir über Menschenrechtsverletzungen gewusst haben zu lange nicht öffentlich gemacht" habe.
Es ist jetzt ein Statistikbogen aufgetaucht, aus einer Datei, die die Stasi 1988 über verlässliche Leute angelegt hat.
Das ist Blödsinn. Da widerspricht der Einschätzung der Stasi über mich. "Keine Ergebnisse gab es auf dem Gebiet der Personenhinweisbearbeitung", heißt es da. Das war damals Fleisch. Jetzt gibt es dürre Kärtchen. Das Fleisch, das war zum Teil authentisch und da bin ich froh, dass es die Seiten gibt. Deshalb hatte ich ja Einreisesperre, ab 1976, als Wolf Biermann ausgebürgert wurde, und bei mir unterkam, bis zur Gorbatschow Ära.
Neu sind Daten aus der Sira-Datei. Dort heißt es, Sie hätten so brisantes Material geliefert, dass die Stasi es dem KGB weitergeleitet hat.
Das ist auch nichts Neues. Das wurde mir schon vor einigen Jahren zugeschickt. Damals war mir schon klar. Das hat absolut nichts mit mir zu tun.
Ein Vorwurf darin ist, sie hätten Informationen über die chemische Kampfstoffproduktion bei Bayer geliefert.
Dazu gibt es eine eidestattliche Erklärung von Dr. Jörg Heimbrecht, dass er diese Recherchen gemacht hat. Da ging es um den Verdacht eines Kriegswaffenpatents. Wir habe das nur zusammen in "Konkret" veröffentlicht. Aber er war derjenige, der die Sachen recherchiert hat. Und genauso war es bei dem Text über ABC-Waffen. Das war kein Geheimnis. Es gab damals eine Broschüre "Bonn bereitet Giftkrieg vor" aus der DDR.
Die war an Westjournalisten verteilt worden. In der Broschüre kamen Verdachtsmomente auf, und ich bin denen nachgegangen. Nicht eine meiner stärksten Arbeiten. Aber es war keine DDR-Initiative. Es scheint mir, dass in den Sira-Daten auf zwei Veröffentlichungen von mir Bezug genommen wird.
Warum haben sie Kontakt zur DDR gesucht?
Ich habe eine Geschichte über den Hamburger Geschäftsmann Dr. Ludwig Hahn, recherchiert, den Leiter der Gestapo des Warschauer Ghettos, der durch seinen Schwager, einen Nato-General, geschützt wurde.
Wie oft sind sie danach in die DDR gefahren?
Sechs bis sieben Mal. Ein paar Mal habe ich auch Sachen bekommen, die ich aber als reine Propaganda durchschaut habe.
In der Stasi-Akte, aus der sie zitiert haben, steht "Von uns übergebene Materialien wurden seit Anfang Oktober 1969 zu vielfältigen publizistischen Maßnahmen genutzt."
Das stimmt so nicht. Jörg Heimbrecht hat Sachen aus dem DDR-Archiv übernommen. Aber den müssen Sie selbst fragen.
Aber es heißt"Wagner" sei Ihr Deckname.
Die bringen das absolut durcheinander. Sehen sie mal, ich war ein wichtiger bekannter Schriftsteller. Und jemand der mit mir zu tun hatte, der stieg in der Karriereförderung in der DDR auf. Darum wurden mir Sachen zugeordnet, die mich gar nicht betrafen.
Kannten sie Heinz Dornbeger, der als ihr Stasi-Offizier in den Aktern geführt wird?
Den kannten ich unter dem Namen Gebhard. Der ist mir im Aufbauverlag vorgestellt worden als Mitarbeiter des Pressezentrums. Mit dem habe ich mich einige mal ganz offiziell getroffen.
Hat er sie angerufen?
Nein, ich habe die Termine angefragt. Worum ging es denn da?
Es ging um diese Hahn-Sache. Das andere weiß ich nicht mehr. Das ist 32 Jahre her.
Im Rückblick, empfinden sie es als gerechtfertigt mit einem Unrechtsregime zusammenzuarbeiten, um anderes Unrecht zu bekämpfen?
Als Journalist ist man verpflichtet, alle Quellen zu nutzen. Was ich mir heute als falsch anrechne, ist, dass ich das nicht zum Thema gemacht habe. Wir hatten ein falsches Lagerdenken. Wir haben das, was wir über Menschenrechtsverletzungen gewusst haben, zu lange nicht öffentlich gemacht.
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