Der Tagesspiegel: Gleiche Lebensverhältnisse: Kritik und Bedenken an Köhler-Äußerung im Osten
Berlin (ots)
Bundespräsident Horst Köhler hält gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland nicht für machbar. In einer Umfrage des Berliner "Tagesspiegels am Sonntag" reagierten ostdeutsche Politiker und der DGB reserviert bis ablehnend. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck hält die Äußerungen des Bundespräsidenten "nicht für glücklich". "Mir ist völlig klar, dass es immer regionale Unterschiede geben wird. Aber es ist eine Frage des Maßes." Er könnte nicht akzeptieren, dass es Regionen mit 20 Prozent Arbeitslosigkeit auf Dauer geben solle, sagte er dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Der thüringische SPD-Chef Christoph Matschie sagte: "Das ist eine hoch gefährliche Debatte, die der Bundespräsident anzettelt. Köhler verstärkt damit in den alten Bundesländern die Stimmung, dass der Osten bereits genug bekommen habe." Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte, in Deutschland werde es zwischen den einzelnen Regionen immer Unterschiede geben. "Aber es bleibt das Ziel, dass die Schere zwischen Ost und West zusammengehen muss, so dass es zu vergleichbaren Lebensverhältnissen kommt." Ähnlich äußerte sich der Magdeburger Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU). "Das Grundgesetz gibt das Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse vor, an dem wir festhalten sollten." Doch dürfe "gleichwertig" nicht im Sinne von "gleich" gedeutet werden, "sonst schaffen wir uns ein Problem". FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper warnte davor, "eine Spaltung herbeizureden". Deutschland müsse sich insgesamt vom Subventionsstaat verabschieden. "Beim Strukturwandel kann sich der Westen noch einiges vom Osten abgucken." PDS-Chef Lothar Bisky verlangte: "Horst Köhler darf die Ostdeutschen 15 Jahre nach der Wende nicht im Regen stehen lassen." Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, die das Grundgesetz fordere, "richtet sich nicht nach Himmelsrichtungen". Eine Politik, die erst die Angleichung der Lebensverhältnisse verspreche "und dann diejenigen, die sie anstreben oder erhoffen, für dumm erklärt, ist unglaubwürdig und verleugnet Verfassungsgrundsätze". Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht die Politik weiterhin in der Verantwortung, gleichartige Lebens- und Arbeitsverhältnisse in ganz Deutschland zu ermöglichen. "Die Politik muss darauf hinwirken, Ungleichheiten auszugleichen", sagte DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer. Das bedeute nicht, "dass überall alles hundertprozentig gleich sein muss". Auch die Tarifpolitik orientiere sich an regionalen Unterschieden. Unions-Fraktionsvize Arnold Vaatz forderte, das Ziel gleicher Lebensverhältnisse müsse aufrecht erhalten werden. "Das bedeutet nicht, dass überall die materiellen Lebensverhältnisse gleich sein können", sagte er. Er regte grundsätzlich an, die Existenzsicherung an den unterschiedlichen Preisniveaus in den Regionen zu orientieren. "In Bayern hat man höhere Ausgaben als in Schleswig- Holstein. Und in Sachsen bezahlt man mehr als im Osten von Mecklenburg-Vorpommern", sagte Vaatz.
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