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Der Tagesspiegel: Gefährlicher Störfall in bulgarischem Kernkraftwerk Experte: Bei Pumpenausfall am 1. März versagte die Schnellabschaltung

Berlin (ots)

Wien - Im bulgarischen Kernkraftwerk Kosloduj ist
es am 1. März dieses Jahres zu einem Störfall gekommen, der 
wesentlich gefährlicher war als bisher bekannt. Das berichtete der 
Berliner "Tagesspiegel am Sonntag" unter Berufung auf den 
bulgarischen Kernphysiker Gueorgui Kastchiev, der bis 2001 Leiter der
bulgarischen Aufsichtsbehörde für das Kernkraftwerk war und heute im 
Institut für Risikoforschung der Wiener Universität arbeitet.
Nach Angaben von Kastchiev habe nach dem Ausfall einer 
Hauptkühlmittelpumpe das Schnellabschaltsystem im Block Fünf der 
Anlage weitgehend versagt. Von den 60 Kontrollstäben, die zum Stopp 
der Kernspaltung benötigt werden, seien 22 in ihrer Aufhängung 
stecken geblieben. Darum habe es schließlich sechs Stunden gedauert, 
bis der Reaktor durch Beimengung eines chemischen Neutronenfängers im
Kühlwasser heruntergefahren werden konnte. "Das zentrale 
Sicherheitssystem hat nicht funktioniert", erklärte Kastchiev im 
Gespräch mit dem Tagesspiegel, das entspreche einer Autofahrt mit 
Vollgas ohne Bremse. Das Versagen der automatischen 
Kontrollstabeinfuhr sei bei einem Reaktor dieses Typs (WWER 1000) 
besonders gefährlich, weil bei großen Leckagen die Kettenreaktion in 
der Uranladung binnen zwei Minuten gestoppt werden müsse, um ein 
Durchbrennen der Brennstäbe zu verhindern. Ohne die 
Schnellabschaltung, so Kastchiev, "hätte in diesem Fall niemand die 
Katastrophe aufhalten können".
Die bulgarische Aufsichtsbehörde informierte die Internationale 
Atomenergie-Organisation verspätet über den Störfall und stufte ihn 
auf  Level Null der achtstelligen internationalen Meldeskala ein, 
entsprechend  einem "Ereignis mit geringer sicherheitstechnischer 
Bedeutung". Damit werde "die wahre Bedeutung des Störfalls völlig 
unterschätzt", kritisierte Reaktorexperte Kastchiev, der selbst 17 
Jahre lang in der Anlage tätig war, in der 150 Kilometer nördlich der
Hauptstadt Sofia an der Donau insgesamt vier Reaktoren sowjetischer 
Bauart betrieben werden. "Wenn so etwas passieren kann, stimmen alle 
Sicherheitsanalysen nicht mehr," warnte er. Die Behörde in Sofia gab 
trotz mehrerer Anfragen keine weitere Stellungnahme zu dem Vorfall 
ab.
Inhaltliche Rückfragen richten Sie bitte an:
Der Tagesspiegel, Ressort Politik, Tel. 030/26009-402; -389.
Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622 
cvd@tagesspiegel.de

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