Der Tagesspiegel: "Karl, lass mal die Heiligkeit weg" - Interview mit Kardinal Karl Lehmann
Berlin (ots)
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Karl Lehmann hat in einem Gespräch mit dem "Tagesspiegel am Sonntag" seinen berufsbedingten Verzicht auf Ehe, Familie und Sexualität als nicht so schwer bezeichnet. Der Kardinal sagte in dem Interview, er sei schon vor dem Abitur von den großen Fragen fasziniert gewesen - "Woher kommt der Mensch? Wohin geht er?" Lehmann, der im Alter von 27 Jahren zum Priester geweiht wurde, räumte aber ein, in seiner Jugend gelegentlich den Mädchen hinterher geschaut zu haben. "Es gab Mädchen, die hat man aus der Ferne angehimmelt. Als Schüler im Zug hat man sich gesehen, vielleicht auch mal Händchen gehalten. Aber wir waren damals ja außerordentlich brav."
Lehmann bedauert auch nicht, nicht als Zeitgenosse Jesu gelebt zu haben. "Ich habe ein hohes Vertrauen in solides Brauchtum, weiß aber auch, dass diese Geschichten in der Bibel bearbeitet sind", sagte der Kardinal. Es gebe nicht wenige Theologen, die gar nicht erst nach Israel fahren wollten, weil sie sich ihre Fantasie nicht nehmen lassen wollten, wie das nun am See Genezareth genau gewesen sei. "Wenn die dann vor Ort sehen, dass da ganz gewöhnliche Steine herumliegen, dann sind sie eher etwas enttäuscht". Ihm selbst gehe das aber nicht so, sagte Lehmann. "Ich freue mich da eher über die großartige Landschaft. Wenn ich auf dem Berg der Seligpreisungen stehe und den wunderschönen Sonnenuntergang über dem See Genezareth erlebe, dann finde ich diesen Ort schon faszinierend genug. Dann ist es mir eigentlich gleichgültig, ob Jesus genau hier die Bergpredigt gehalten hat oder woanders". Er traue aber einer langen Überlieferung, fügte der Kardinal an.
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