Der Tagesspiegel: Wirtschaftsweiser Franz: In der nächsten Rezession deutlich über vier Millionen Arbeitslose
Berlin (ots)
Berlin - Ohne Reformen auf dem deutschen Jobmarkt könnte die Arbeitslosigkeit in der nächsten Wirtschaftskrise wieder deutlich steigen. "Wenn die Regierung nichts für die Problemgruppen tut, werden wir in der nächsten Rezession wieder deutlich über vier Millionen Arbeitslose kommen", sagte der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz dem "Tagesspiegel" (Montagausgabe). "Zurzeit sinkt hauptsächlich die konjunkturbedingte Arbeitslosigkeit - davon profitiert aber nur rund ein Fünftel der Stellensuchenden", bemängelte Franz, der auch Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim ist, mit Blick auf Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte.
Wenn es schon keine Mehrheiten für einen Abbau des Kündigungsschutzes und flexiblere Tarifgesetze gebe, müsse es einen Kombilohn geben, riet er. Franz rief die Koalition auf, den Niedriglohnsektors zu reformieren. "Wenn es die Koalition nicht schafft, sich hier auf einen vernünftigen Kompromiss zu einigen und sich auch beim Kündigungsschutz nichts tut, bleibt es bei der hohen Sockelarbeitslosigkeit." Einen Mindestlohn lehnte Franz kategorisch ab. "Das wäre das Falscheste, was man tun kann." Dann gingen massenhaft Stellen im Niedriglohnbereich verloren, weil der Mindestlohn Arbeit genau dort verteure, wo es am schädlichsten sei. "Die Arbeitslosen fallen dann wieder den Sozialkassen zur Last, und der Staat nimmt weniger Steuern ein. Der Mindestlohn rechnet sich nicht", urteilte Franz. Stattdessen müsse man die unteren Löhne von drei oder vier Euro womöglich "noch einmal senken, damit mehr Stellen entstehen".
Das Wirtschaftswachstum beurteilt Franz etwas zurückhaltender als andere Ökonomen. "Um die zwei Prozent dürften es in diesem Jahr sein, vielleicht etwas mehr", prognostizierte er. Dabei würden "einige Hunderttausend Arbeitsplätze entstehen". Wie lange der Aufschwung dauere, "haben wir selbst in der Hand", sagte er mit Blick auf die Regierung und die Tarifparteien. Zu hohe Tarifabschlüsse, etwa in der Metallindustrie, würgten den Aufschwung ab, warnte er.
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