Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Indiens Umgang mit Demonstrierenden verletzt Grundrechte
Anhaltende Demonstrationen gegen umstrittenes Einbürgerungsgesetz
Verhaftungen und Strafanzeigen schüren Klima der Gewalt und Einschüchterung
--- Göttingen, den 26. Dezember 2019 --- Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Indiens Behörden vorgeworfen, mit der Kriminalisierung von Demonstrierenden Grundrechte zu missachten und ein Klima von Gewalt und Einschüchterung zu schaffen. Die Menschenrechtsorganisation warf den Behörden ein seltsames Demokratie-Verständnis vor und kritisierte, daß einseitig Demonstrierende für die Eskalation der Gewalt bei Protesten gegen das umstrittene Einbürgerungsgesetz verantwortlich gemacht würden, exzessive Polizeigewalt jedoch nicht untersucht oder bestraft werde.
Die GfbV forderte die Freilassung von 56 festgenommenen Bürgerrechtlerinnen und Menschenrechtlern, die nach einem friedlichen Protest in Varanasi am 19. Dezember 2019 inhaftiert wurden. Gegen sie wird wegen vermeintlicher Gewaltanwendung strafrechtlich ermittelt. Insgesamt wurden mehr als 700 Demonstrierende alleine im Bundesstaat Uttar Pradesh in der letzten Woche festgenommen. "Friedlich Demonstrierende dürfen nicht kriminalisiert werden, wenn sie nur von ihrem in der Verfassung Indiens zugesicherten Grundrecht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen.
Insgesamt waren bei dem friedlichen Protest in Varanasi 69 Personen festgenommen worden. Viele Festgenommene engagieren sich seit Jahren für Bürgerrechte in der Stadt oder sind Studierende der dortigen Universität. Die meisten der nur rund 100 in Varanasi Demonstrierenden wussten nicht, dass die Behörden des Bundesstaates am gleichen Tag ein Versammlungsverbot für die gesamte Region verhängt hatten, das von der Polizei mit beispielloser Härte und unter unangemessener Gewaltanwendung durchgesetzt wurde. Die gewaltlos Demonstrierenden waren von der Polizei eingekesselt und festgenommen worden, berichteten Augenzeuginnen und Passanten. Doch statt wie gewohnt nach wenigen Stunden freigelassen zu werden, drohen den Inhaftierten nun empfindliche Haftstrafen.
Repressalien gegen Demonstrierende wurden auch in anderen Städten registriert, So wurde in Lucknow ein Universitätsdozent vom Dienst suspendiert, weil er angeblich zu Protesten gegen das umstrittene Gesetz aufgerufen haben soll. Ein Geschichtsstudent einer staatlichen Universität in Lucknow wurde exmatrikuliert, weil er auf Facebook zur Teilnahme an Protesten aufgerufen hatte. Auch private Universitäten gingen gegen Studierende vor, die an Protesten teilnahmen. Ein deutscher Austauschstudent aus Dresden, der Physik an der Universität Chennai studierte, musste auf Anordnung der Behörden das Land verlassen,weil er an einer Demonstration gegen das Gesetz teilgenommen hatte.
Ulrich Delius ist zu erreichen unter Tel. 0160/95671403
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