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Börsen-Zeitung: Conti im Abwehr-Modus, Kommentar von Gottfried Mehner zum Versuch der Schaeffler-Gruppe, Continental zu übernehmen

Frankfurt (ots)

Continental hat nach dem lautlosen Heranpirschen
der Schaeffler-Gruppe gestern laut "Foul" gerufen. Es ist eine völlig
ungewohnte passive Rolle für ein proaktives Management, das 
unternehmerisches Handeln auf allen Ebenen lebt. Viel lieber wäre man
in der aktiven Position. Abwehr ist etwas für Verlierer. Aber man 
will auch nicht als moralischer Sieger vom Platz gehen.
Um was es geht, blitzt in einer Einschätzung des Betriebsrats auf,
der Conti-Chef Manfred Wennemer einmal vorgeworfen hatte: "Der ist 
doch selbst eine Heuschrecke." Schaeffler hat schnell und 
entschlossen gehandelt, und zwar punktgenau, als Conti wegen der 
Mammut-Integration von Siemens VDO die Hosen unten hat und nur 
eingeschränkt bewegungsfähig ist. Conti hätte es auch nicht 
entscheidend anders gemacht.
Es gehört zu den unerklärlichen Mysterien des Kapitalmarkts, dass 
Continental ein halbes Jahr nach einer 11,4 Mrd. Euro schweren 
VDO-Übernahme am 17. März gerade noch mit mickrigen 8,4 Mrd. Euro 
bewertet wurde. Das entsprach deklassierenden 51,89 Euro je Aktie. 
Ein Abschlag von 26% auf den VDO-Kaufpreis, und obendrein gab es den 
Conti-Altkonzern noch dazu. Ein gigantischer Wertverfall. Dabei war 
Ende Oktober 2007 noch eine Kapitalerhöhung zu 101 Euro über die 
Bühne gegangen und bei institutionellen Anlegern platziert worden. 
Die haben ihre Aktien wohl angesichts des nachfolgenden Kursverfalls 
verliehen und veroptioniert.
Also vollstes Verständnis dafür, dass Schaeffler große Augen 
bekam. Dort sind offensichtlich gute Kaufleute am Werk. Chance 
gesehen, Chance genutzt, Chance vor allem nicht zerredet. Der Vorstoß
hat aber eine zweite Ebene, die es deutlich auseinanderzuhalten gilt.
Sich an einem Blue Chip zu beteiligen, wenn es diesen monatelang zu 
Discountpreisen gibt, ist das eine. Aber es geht um das Wie. Und da 
wird es heimtückisch.
Wie schleiche ich mich an ein Unternehmen an, ohne dass es jemand 
mitkriegt? Dass sich damit ganze Heerscharen hochqualifizierter 
Juristen in den Kanzleien beschäftigen, ist klar. Es ist einfach eine
intellektuelle Herausforderung, einen Dreh zu finden, wie es 
theoretisch möglich wäre. Es dann auch umzusetzen - wasserdicht und 
justiziabel - ist eine ganz andere Frage. Und dann gilt es noch einen
Auftraggeber zu finden, der für die Probe aufs Exempel seinen Ruf 
riskiert.
Bei Porsche hat es einmal funktioniert, warum nicht auch ein 
zweites Mal? Die Vorgänge sind aber nicht vollkommen vergleichbar. 
Porsches Vorgehen wird zu Recht als schleichende Übernahme 
etikettiert. An einem Sonntag im Oktober 2005 hatte Porsche eine 
angestrebte Beteiligung von 20% bei VW gemeldet, als konkret erst 
eine Beteiligung von 10,4% aufgebaut worden war.
Das Vorgehen von Schaeffler hat eine völlig andere Qualität. Da 
enttarnt sich Knall auf Fall ein neuer Großaktionär mit gleich 36%. 
Nach einer Under-cover-Aktion, bei der sich reihenweise Banken 
konzertiert mit nicht meldepflichtigen Paketen von 2,99% eindeckten, 
meldet sich Schaeffler gleich mit einer Kontrollerlangung und einem 
Übernahmeangebot zu Wort.
Das ist eine neue Form von Überrumpelungstaktik. Wie soll ein 
Management mit intakter Selbstachtung auf einen solchen Handstreich 
reagieren? Sollen sie mit einem Messer an der Gurgel noch Hurra 
schreien? Ohne das derzeit tätige Spitzenmanagement wäre Conti 
wirklich nur die Hälfte wert.
Der Hinweis darauf, dass die Kapitalmärkte nun mal so 
funktionieren, wie sie funktionieren, hilft nicht weiter. Es gibt 
Spielregeln. Wer absichtsvoll als Regelverletzer auftritt, trickreich
oder nicht, stellt sich selbst ins Abseits. Schaeffler wird immer 
zugutegehalten, dass 2001 bereits erfolgreich die Übernahme von FAG 
Kugelfischer feindlich durchgezogen wurde. Conti bringt aber ein 
zwanzigmal so großes Volumen auf die Waagschale. Hoffentlich reiht 
sich hier ein privat geführtes Unternehmen nicht unter die 
Finanzhasadeure ein.
Conti spricht einem irgendwie geartetenZusammengehen schlichtweg 
die industrielle Logik ab. Dies könnte eine etwas verärgerte 
vorschnelle Reaktion sein, denn bei Familienkonzernen stellt sich 
über kurz oder lang immer die Generationenfrage und die nach der 
Zukunft. Eine Sacheinbringung der Schaeffler KG bei Conti wäre 
durchaus vorstellbar, allerdings erst nach einer Abkühlungsphase.
Conti bringt es zu Recht in Harnisch, dass die eigenen Hausbanken 
gegen das Unternehmen konspiriert haben. Ein Vertrauensbruch der 
schlimmsten Art. Dies wird sehr aufmerksam registriert werden. Einige
Banken schätzen offensichtlich eine Einmalprovision höher ein als 
eine laufende Kreditbeziehung. Hier manifestiert sich erneut das 
grassierende Kurzfristdenken. Andere Unternehmen wären gut beraten, 
die Banken aus der Anti-Conti-Fraktion auf eine Watch List zu setzen.
Das ist aber derzeit nicht das drängendste Problem bei Conti. Ihr 
hilft nur ein rasanter Kursanstieg auf 80 Euro und besser. Danach sah
es zuletzt aber gar nicht aus.
(Börsen-Zeitung, 17.7.2008)

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