Börsen-Zeitung: Antifrostmittel, Kommentar von Reinhard Kuls zum deutschen Konsumklima
Frankfurt (ots)
Das Konsumklima in Deutschland ist so frostig wie seit fünf Jahren nicht mehr. Dies ist umso erschreckender, als noch vor wenigen Monaten gerade in den Privatverbrauch viel Hoffnung gesetzt worden ist. Er sollte nach dem Auslaufen des Mehrwertsteuerschocks von 2007 mit einem kräftigen Ruck anspringen und so die neue Konjunkturlokomotive in Deutschland abgeben. Denn es wurde damals nicht ausgeschlossen, dass die deutschen Exporte und damit potenziell auch die Binneninvestitionen sich durch eine global nachlassende Nachfrage im Gefolge der US-Immobilien- und der Finanzmarktkrise abschwächen könnten.
Auch wenn der Zusammenhang zwischen dem Nürnberger Indikator zur Kauflaune der Deutschen und etwa den Einzelhandelsumsätzen nach Ansicht vieler Analysten nicht sehr zwingend ist, ignorieren kann man einen solch niedrigen Konsumklimaindex sicherlich nicht. Denn dass sich Deutschland und damit knapp ein Drittel der Eurozone (über Mitzieheffekte noch mehr) von der Entwicklung im Rest der Welt abkoppeln könnte, wie das vielfach unterstellt worden ist, erscheint immer schwieriger angesichts der hartnäckigen Inflation, die heftig Kaufkraft kostet.
Wenn also die private Nachfrage, wie meist in Deutschland, wieder einmal nicht den großen Konjunkturschwung bringt, kommen sehr schnell die Rufe nach Ankurbelprogrammen. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos' Vorbereitungen für ein großes Konjunkturpaket stehen nur zufällig zeitlich am aktuellen GfK-Klimaindex, motiviert sind sie von der bayerischen Landtagswahl Ende September, deren Ausgang wackelt.
Grundsätzlich muss die Kaufkraft in Deutschland gestärkt werden, das stimmt. Die Erhöhung der Pendlerpauschale aber kommt zu spät, wenn sie 2009 eingeführt und erst 2010 über die Einkommensteuererklärung wirksam wird. Die richtige Antwort auf die Konsummisere liegt in erster Linie in der Senkung der Sozialabgaben, zumal dies auch die deutsche Wettbewerbsfähigkeit global stärkt. Aber das ist für einen Politiker, zumal vor einer Wahl, nicht reißerisch genug. Grundsätzlich gilt bei allen Ankurbelungsmaßnahmen: Sie dürfen das Staatsdefizit nicht wieder aufblähen, das derzeit so mühsam gedrückt wird. Denn schließlich hat man in der Regierung die eigentliche Aufgabe noch gar nicht angepackt: den Abbau der Schulden.
(Börsen-Zeitung, 29.7.2008)
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