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Börsen-Zeitung: Siemens rechnet ab, Kommentar von Claus Döring zur Entscheidung des Siemens-Aufsichtsrats, von elf früheren Vorständen in der Korruptionsaffäre Schadenersatz zu verlangen

Frankfurt (ots)

Spätestens seit dem im April vorgelegten
Prüfbericht der Kanzlei Debevois & Plimpton war die Sache klar: Der 
Aufsichtsrat der Siemens AG muss die für die Korruptionsaffäre 
verantwortlichen ehemaligen Vorstände auf Schadenersatz verklagen. 
Sonst wäre er nicht nur seinem Anspruch zum konsequenten Aufräumen im
Hause Siemens untreu geworden, er hätte sich selbst Klagen von 
Aktionären ausgesetzt.
Angesichts der unzweifelhaften Verdienste etlicher der elf 
betroffenen Ex-Zentralvorstände um Siemens mögen die avisierten 
Klagen bei manchem gegen das Gefühl der Fairness verstoßen. 
Schließlich ist der Konzern von den jetzt am Pranger stehenden 
Managern über viele Jahre erfolgreich geführt worden. Auch die 
betriebswirtschaftliche Dimension des Schadens aus den 
Korruptionszahlungen von 1,3 Mrd. Euro relativiert sich angesichts 
des Geschäftsvolumens. In anderen Großkonzernen werden durch falsche 
Investitionsentscheidungen höhere Schäden verursacht, ohne dass 
Vorstände dafür jemals vor Gericht gestellt würden. Der Imageschaden 
dagegen kann nicht hoch genug veranschlagt werden.
Aber darum geht es nicht. Im Fall Siemens und den nun folgenden 
Schadenersatzprozessen geht es um die unternehmerische Verantwortung 
schlechthin. Dass die beschuldigten Vorstände ihre Organisations- und
Aufsichtspflichten vernachlässigt haben, ist nach dem parallelen 
Strafverfahren offenkundig. Da mussten die Vorstände gar nicht 
bewusst weggeschaut haben. Schon fahrlässiges Unterlassen bei der 
Sicherstellung einer funktionierenden Compliance reichte. Zu dieser 
Verantwortung haben sich manche Betroffene mit ihrem Rücktritt als 
Vorstand de facto ja bekannt.
Die Klagen sollten nicht davon ablenken, dass die Verantwortlichen
nicht nur im Vorstand saßen. Wie steht es um die Kontrollpflicht des 
Aufsichtsrats, wie um die Berichtspflicht des Wirtschaftsprüfers? Und
hat der heute amtierende Vorstand alles getan, um den Schaden für 
Siemens und die Eigentümer möglichst gering zu halten? Im 
Strafprozess verglich der Vorsitzende Richter die Kompetenzen des 
früheren Compliance-Beauftragten mit einer "Feuerwehr, die zum 
Löschen mit einem Zahnputzbecher ausgestattet ist". Heute erleben wir
bei Siemens das andere Extrem. Wie so oft bei Feuerwehreinsätzen 
droht der Wasserschaden aus der Lösch(er)-Aktion größer zu werden als
der Brandschaden.
(Börsen-Zeitung, 30.7.2008)

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