Börsen-Zeitung: Alles oder nichts, Kommentar zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pendlerpauschale von Angela Wefers
Frankfurt (ots)
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur politisch heiß umstrittenen Pendlerpauschale hat unverhoffte Nebenwirkungen. Kurzfristig erhalten rund 20 Millionen Pendler für drei Jahre Steuerentlastungen von 7,5 Mrd. Euro. Davon fließen in den ersten drei Monaten 2009 allein 3 Mrd. Euro - rückwirkend für die 2007 veränderte und nun für verfassungswidrig erklärte Pendlerpauschale. Die Rückzahlung wirkt in der akuten Finanzkrise als Konjunkturprogramm erster Güte. Zwar kommt es politisch unfreiwillig, hilft aber, den Wachstumseinbruch abzufedern.
Zugleich hat das Gericht bei der Politik die Daumenschrauben angezogen. Das Urteil, mit dem die Richter erneut eine Steuerregelung für verfassungswidrig erklärt haben, fällt besonders schmerzlich aus. Rein fiskalische Betrachtungen reichen in der Steuerpolitik nicht aus. Dies haben die Richter zwar schon früher entschieden, z. B. zur Vermögensteuer oder zur Absetzbarkeit der Vorsorgebeiträge für die Krankenversicherung, aber sie haben bislang keine Nachzahlungen dieses Ausmaßes verfügt. In früheren Urteilen wurde meist nur Abhilfe für die Zukunft verordnet.
Anders als es die zahlreichen frohlockenden Reaktionen auf das Urteil suggerieren mögen, ist mit dem Urteil die künftige Existenz der Pendlerpauschale jedoch keineswegs gesichert. Das Urteil verwirft lediglich die aktuelle Härtefallregelung für einen Teil der Pendler. Gleichbehandlung lautet der Grundsatz - auch und besonders im Steuerrecht. Die Entscheidung über den Lebensmittelpunkt, Kosten des Wohnens und Fahrten zur Arbeitsstätte sind nicht zwangsläufig Sache der Allgemeinheit der Steuerzahler. Auch die Wissenschaft ist in diesem Punkt gespalten. Das Gericht hat dem Gesetzgeber deshalb keine Richtung vorgegeben, aber ganz konsistent verfügt: alles oder nichts.
Wenn Fahrtkosten absetzbar sind, dann auch alle anderen berufsbedingten Kosten und für alle Steuerzahler - Selbständige wie Angestellte. Heute sind die Grenzen vielfach schwammig. Der Blaumann für den Monteur ist Berufsbekleidung, der Smoking für den Gesellschaftskolumnisten nicht. Den Gesetzgeber stellt das Gericht vor eine fast unlösbare Aufgabe. Viel spricht deshalb dafür, zu pauschalieren. Dies wird den Steuerzahlern gerecht und schützt den Gesetzgeber vor verfassungsrechtlich angreifbaren Einzelfallregelungen.
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