Börsen-Zeitung: Teure Steuerschätzungen, Kommentar von Angela Wefers zur Frühjahrsprognose des Arbeitskreises Steuerschätzung
Frankfurt (ots)
Seit einigen Jahren folgt die Steuerschätzung demselben Muster: Die Experten des Arbeitskreises korrigieren ihre Prognosen und senken die erwarteten Steuereinnahmen für die nächsten Jahre. So ist es auch in diesem Mai: Bund und Länder ausnahmsweise nicht die Gemeinden müssen ihre Budgetkalkulationen korrigieren, weil die Einnahmen weniger stark als erwartet sprudeln.
In allen Jahren waren es überzogene Wachstumsprognosen, die die Hoffnung der Regierenden genährt haben, es komme mehr Geld in die Kasse, als später tatsächlich floss. Wiederholte Steuererhöhungen haben die überzogenen Erwartungen zwar gemildert, aber nicht kompensiert. Damit hat sich der Bund, aber auch die Länder vor realistischen Etatansätzen gedrückt. Nun kämpfen sie mit den Folgen.
Die überhöhten Einnahmeansätze haben nämlich auch die Ausgabeplanungen zu üppig ausfallen lassen. Besonders beim Bund war Finanzminister Hans Eichel zudem nicht bereit, im Haushaltsvollzug gegenzusteuern, um die schwache Konjunktur nicht zu belasten. Damit fiel am Ende die Nettoneuverschuldung deutlich über Plan aus. 2004 entging Eichel zum zweiten Mal nur knapp dem zweifelhaften Rekord, das höchste Defizit in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland geliefert zu haben.
Auch in diesem Jahr zeichnet sich keine Kehrtwende ab. Eichel nennt die Wachstumsansätze der Steuerschätzung zwar realistisch, doch liegen sie für die kommenden Jahre wieder deutlich über dem Trendwachstum. Hinzu kommen Haushaltsrisiken aus dem Arbeitsmarkt und in den Sozialetats, die heute schon auf eine Etatlücke von knapp 10 Mrd. Euro die Opposition spricht von 15 Mrd. Euro weisen. Maßnahmen zur stärkeren Haushaltsdisziplin wie eine Sperre hält Eichel für verfrüht.
Das Resultat einer solchen Finanzpolitik ist eine steigende Staatsverschuldung. Den Bewegungsspielraum der Bundesregierung engt diese zunehmend ein. Mit knapp 40 Mrd. Euro Zinsen wendet der Bundesfinanzminister trotz des derzeit niedrigen Zinsniveaus bereits heute ein knappes Sechstel der Ausgaben nur für die Finanzierung der Schulden auf. Im Jahr 2009 wird der Anteil auf mehr als ein Sechstel gestiegen sein. Subventionskürzungen, wie Eichel sie anstrebt, sind der erste Schritt. Will die Union glaubwürdig sein, darf sie sich dagegen nicht länger sperren.
(Börsen-Zeitung, 13.5.2005)
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