Börsen-Zeitung: Zugpferd Kirchhof, Kommentar zur erwarteten Berufung des Steuerexperten Paul Kirchhof in das Wahlkampfteam der Union von Stephan Lorz
Frankfurt (ots)
Kanzlerkandidatin Angela Merkel ist ein Überraschungscoup gelungen: Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof hat dem Vernehmen nach eingewilligt, in ihrem Kompetenzteam die Finanz- und Haushaltspolitik zu übernehmen. Damit könnte der in letzter Zeit recht inhaltsleere und eher von Pannen und Peinlichkeiten bestimmte Unionswahlkampf neuen Schwung erhalten. Schließlich wird Kirchhof in der Öffentlichkeit hoch geachtet, ihm große Kompetenz in Fragen der Steuerpolitik zuerkannt. Dass ihm auch die SPD eine aus ihrer Sicht negative Wirkung auf die Wählerschichten zutraut, zeigt ihre scharfe Reaktion. Sie wirft Kirchhof dem Autor eines Steuergesetzbuches wohlgemerkt Inkompetenz in Steuer- und Haushaltsfragen vor und bezeichnet seine Reformvorschläge sogar als unvereinbar mit der Verfassung, nur weil er den Staat in seine Grenzen verweist und der Eigenverantwortung des Bürgers größere Bedeutung zumisst, als das viele Sozialdemokraten tun.
Genau diese Haltung Kirchhofs aber macht ihn großen Teilen der Bundesbürger erst sympathisch, jenem Personenkreis, dem das Regierungsprogramm der Union nicht weit genug geht. Somit könnte sich Kirchhof im Wahlkampf tatsächlich als jenes Zugpferd erweisen, das Merkel in der augenblicklichen Lage der Unionsparteien so bitter nötig hat.
Doch sind mit Kirchhof tatsächlich nachhaltige Wirkungen auf das etwas magere und unbestimmte Unionsprogramm zu erwarten? Abgesehen vielleicht von einigen Gedankenanstößen, die er den wahlkämpfenden Unionstruppen mit auf den Weg geben kann, dürfte sich seine Rolle auf die eines Sympathieträgers beschränken. Ihm fehlt schließlich die nötige Hausmacht, um konkrete Ziele in den Parteigremien durchzufechten und dauerhaft in der Unionsprogrammatik zu verankern. Und nach dem Wahltag wird er nach bisherigem Sachstand wieder abtreten müssen, weil der Posten eines Superministers für Finanzen und Wirtschaft für den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber freigehalten werden soll.
Für Merkel also geht die Rechnung auf und für Kirchhof? Er kann mit seiner neuen Medienpräsenz sein Steuerreformmodell wieder ins Gespräch bringen, nachdem es in den vergangenen Monaten von anderen Steuerkonzepten aus der öffentlichen Debatte verdrängt wurde.
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