Börsen-Zeitung: Ewige Hatz auf die LSE, Kommentar von Norbert Hellmann zum Übernahmeangebot der Nasdaq für die London Stock Exchange
Frankfurt (ots)
Clara Furse bekam schon immer glänzende Augen, wenn von der Nasdaq die Rede war. Wann immer die Chefin der London Stock Exchange in den letzten Jahren Attacken europäischer Börsen parierte, schien ihr die Nasdaq die heilsversprechendere Konsolidierungslösung oder zumindest die willkommene Gesprächsalternative.
Jetzt da die Nasdaq aus heiterem Himmel ein Übernahmeangebot hervorzaubert, werden ihr kaum Freudentränen in die Augen schießen. Seit Dezember 2004 schlägt sich das LSE-Management unentwegt mit unerwünschten Offerten herum. Nachdem die Deutsche Börse einen Rückzieher machen musste, Euronext nie aus den Pötten kam und Macquarie am Preis scheiterte, schien die LSE nun endlich frei Bahn zu haben. Selber strategisch agieren, anstatt auf Vorstöße anderer zu reagieren, hätte die Losung für 2006 sein sollen.
Der neue Antragssteller ist Furse längst nicht mehr geheuer. Sie hat nämlich schon einmal konkret auf einen Zusammenschluss verhandelt und dabei feststellen müssen, dass die Nasdaq in typischer US-Manier Hegemonialansprüche geltend machte, die der Stellung des Londoner Marktes Hohn zu sprechen schienen. Aus einem freundlichen Merger wurde nichts. So gilt der neue Vorstoß der Nasdaq jetzt als feindlich, denn auf gütlichem Wege scheint sich die völlig unterschiedliche Interessenlage auf beiden Seiten des Atlantiks nicht ausloten zu lassen.
Tröstend für Furse mag sein, dass die Nasdaq in der Vergangenheit mit ihren internationalen Plänen nur Schaumschlägerei zustande brachte und Geld in den Sand setzte. Auch jetzt gibt das Timing der Offerte zu denken. Diese Woche stand die New York Stock Exchange mit dem eigenen Börsendebüt im Rampenlicht und nutzte es gleich dazu, von europäischen Expansionsplänen zu sprechen. Will die Nasdaq also nur der Nyse mediengerecht in die Suppe spucken, oder hat sie tatsächlich ein tragfähiges Übernahmekonzept in der Schublade, das den zahlreichen regulatorische Klippen Rechnung trägt? Zumindest der Preis spricht dafür, dass es diesmal ernst gemeint ist. Mit den jetzt gebotenen 950 Pence würde den LSE- Aktionären zur Abwechslung einmal wenigstens eine echte Prämie zum aktuellen Kurs geboten. Anders als im Fall Macquarie dürften diesmal aber weniger die Aktionäre, als die Regulatoren das letzte Wort haben.
(Börsen-Zeitung, 11.3.2006)
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