Boersen-Zeitung: Spiel mit dem Steuerfeuer, Kommentar zum ZEW-Konjunkturindex von Stephan Lorz
Frankfurt (ots)
Bislang schien das Kalkül der Bundesregierung durchaus aufzugehen: die Konjunkturindikatoren haben sich von Jahresbeginn an deutlich verbessert. Die Unternehmen investieren wieder kräftig, nachdem sie sich über Jahre hinweg zurückgehalten hatten. Selbst die Banken spielen mit. Die Bundesbank hat ihnen jüngst attestiert, wieder mehr Kredite zu vergeben. Auch der private Verbrauch ist angesprungen. Der Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse ist ebenfalls gestoppt. Auf dem Arbeitsmarkt regt sich neue Hoffnung. Zudem hat sich die Weltkonjunktur als erstaunlich robust erwiesen und steckte die steigenden Ölpreise klaglos weg. Die vorhergesagten Exporteinbußen sind ausgeblieben.
Vor diesem Hintergrund konnte Berlin mit einiger Überzeugungskraft behaupten, dass der Einbruch der privaten Nachfrage durch die 2007 geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer begrenzt bleiben wird. Es komme allenfalls zu Vorzieheffekten, die dann zum Jahresanfang 2007 fehlten, hieß es. Eine Konjunkturdelle also, mehr nicht.
Doch mittlerweile ist klar: Das Kalkül der Bundesregierung steht auf wackeligen Beinen. Denn inzwischen kommt in den Konjunkturumfragen langsam auch der Jahreswechsel in Sicht, der neben der Mehrwertsteuererhöhung noch weitere Kaufkraft entziehende Überraschungen parat hat. Gleichzeitig nimmt die Angst vor den Folgen rapide weiter steigender Ölpreise zu. Auch zeigen sich die ersten Bremsspuren in der US-Wirtschaft. Entsprechend skeptisch wird am Kapitalmarkt die weitere Entwicklung gesehen.
Der tiefe Fall der ZEW-Konjunkturerwartungen im Juli mag zwar übertrieben sein, er zeigt aber, wie fragil die deutsche Konjunkturbasis noch immer ist. Die Zweifel an der Wirtschaftskompetenz der großen Koalition scheinen vor dem Hintergrund der jüngsten Reformbeschlüsse (Gesundheit und Steuern) nur noch größer geworden zu sein, so dass schon kleinere Schocks genügen, um der Konjunkturstimmung den Garaus zu machen.
Weitere steuerpolitische Belastungen kommen in dieser Konstellation jedenfalls zur Unzeit. Die Entwicklung in Japan, das in ähnlicher Lage durch eine Mehrwertsteuererhöhung Ende der Neunziger in eine tiefe Wirtschaftskrise gestürzt worden war, sollte der Bundesregierung eine Warnung sein, das Spiel mit dem Steuerfeuer sein zu lassen.
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