Börsen-Zeitung: Karstadt zieht die Reißleine, Kommentar zur Neuausrichtung im Versandhandel bei KarstadtQuelle von Annette Becker
Frankfurt (ots)
"Nach einer intensiven Phase der Sanierung gehen wir nun an die Neuausrichtung unserer Geschäfte." Mit diesen Worten gesteht Marc Sommer, der seit Anfang des Jahres bei KarstadtQuelle für den Versandhandel zuständige Vorstand, wenn auch verklausuliert, ein, dass die seit zwei Jahren laufenden Sanierungsbemühungen im Distanzhandel nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben. Nun soll Neckermann.de, der kleinere der beiden Universalversender, ebenso verkauft werden wie der Versandhandelsdienstleister, in dem KarstadtQuelle die Logistik, die IT-Dienste und andere dem Verkauf nachgelagerte Aufgaben gebündelt hat.
Zweifelsohne wird die Versandhandelsstrategie des Essener Handelskonzerns damit neu geschrieben. Vom Versandhandelsumsatz - dieser belief sich 2005 auf 6,8 Mrd. Euro und ist inzwischen weiter zusammengeschnurrt - werden etwa 1,6 Mrd. Euro zum Verkauf gestellt. Die als die E-Commerce-Plattform beworbene Neckermann.de soll künftig anderen Eignern die segensreichen Internetumsätze bescheren.
Von größerer Bedeutung ist gleichwohl, dass die Essener der Service Group, dem eigentlichen Wertvernichter im Versandgeschäft, nun zu Leibe rücken. In der Service GmbH arbeiten 10000 Menschen. Dieser Fixkostenblock ist angesichts des anhaltenden Umsatzschwunds dauerhaft nicht finanzierbar. Und auf neuerliche Verhandlungen mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi konnte und wollte es KarstadtQuelle offenbar nicht ankommen lassen. Das zumindest legt der Aufschrei nahe, der gestern prompt aus dem Arbeitnehmerlager des Aufsichtsrats kam.
Doch eine valide Alternative hat KarstadtQuelle nicht; zumindest nicht ohne den Konzern in seiner Gesamtheit erneut aufs Spiel zu setzen. Das haben die Anfang November vorgelegten Quartalszahlen zum wiederholten Male belegt. Insofern ist der Kurssprung um annähernd 6%, den die KarstadtQuelle-Aktie gestern vollführte, verständlich.
Auch der Zeitpunkt für einen Börsengang des Versenders Neckermann ist gut gewählt, werden inzwischen doch wieder horrende Summen für Internetgesellschaften auf den Tisch gelegt. Vor zwei Jahren wären weder Neckermann noch der Aktienmarkt für einen Börsengang bereit gewesen.
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