Börsen-Zeitung: Börse ohne Spielraum, Kommentar zur Hauptversammlung der Deutschen Börse von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Wieder einmal hat das Management der Deutschen Börse Ärger mit seinen angloamerikanischen Aktionären. Der US-Hedgefonds Atticus, der mit rund 11,7% der Stimmrechte größter Aktionär des Börsenbetreibers ist, kritisiert die Absicht, die Optionsbörse International Securities Exchange (ISE) zu übernehmen. Von weiteren Übernahmen soll die Börse nach den Vorstellungen von Atticus absehen und stattdessen so schnell wie möglich die Politik der umfangreichen Auskehrung von Gesellschaftsmitteln wieder aufnehmen.
Notgedrungen ist Reto Francioni als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse den Hedgefonds und ihren Forderungen auf der Hauptversammlung am Freitag entgegengekommen: Er hat auf den Tagesordnungspunkt eines neuen genehmigten Kapitals kurzfristig verzichtet. Sollte die Börse also eine weitere Übernahme anstreben und zu ihrer Finanzierung eine Kapitalerhöhung benötigen, müsste sie im Rahmen eines außerordentlichen Aktionärstreffens Atticus und die anderen Anteilseigner um Genehmigung bitten.
Mit den jüngsten Forderungen an das Management der Deutschen Börse hat Atticus endlich die Karten offen gelegt. Es geht dem Hedgefonds schlicht darum, die Deutsche Börse wie eine Weihnachtsgans auszunehmen. Die strategische Perspektive und damit die Zukunftsfähigkeit der Börse interessiert Atticus nicht im Geringsten.
Die Übernahme der ISE ist zweifellos teuer. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis der Offerte von 35 liegt die Bewertung der ISE aber noch im Rahmen dessen, was derzeit für Börsenbetreiber gezahlt wird. Überteuert ist die Transaktion also entgegen dem, was Atticus suggeriert, nicht. Und mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der Börse ist es allemal besser, eine teure und zweifellos mit Risiken behaftete Übernahme zu vollziehen, als den Börsenbetreiber mit völlig überzogenen Auskehrungen ausbluten zu lassen.
In diesem Zusammenhang ist bereits der Verzicht auf das genehmigte Kapital kritisch zu sehen. Das Erfordernis, für Übernahmen die Zustimmung der Aktionäre einzuholen, dürfte jeden CEO zur Zurückhaltung veranlassen, weil er im Fall einer Zurückweisung durch die Anteilseigner seinen Hut nehmen müsste. Dem Management der Börse wird also durch das Zugeständnis in erheblichem Maße der Spielraum eingeschränkt.
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