Weser-Kurier: Über Brasilien - das Gastland der Buchmesse schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 9. Oktober 2013:
Bremen (ots)
Was haben Krawalle bei Lehrerprotesten in Rio de Janeiro und São Paulo mit der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse zu tun? Immerhin trennten diese Ereignisse, die sich gestern zutrugen, einige Stunden und 9500 Kilometer. Und doch ist es in unserem globalen Dorf, in dem Nachrichten nahezu in Echtzeit fließen und das Hauptzahlungsmittel eine Währung namens Aufmerksamkeit ist, nicht einmal ein Katzensprung von Brasilien nach Deutschland und zurück. Aus diesem Grund können sich brasilianische Demonstranten gegen Kollateralschäden künftiger Sportgroßveranstaltungen (Fußball-WM 2014, Olympische Spiele 2016) ebenso viel mediale Beachtung ausrechnen wie jene Pädagogen, die gestern für höhere Gehälter auf die Straße gingen. Weil Anarchisten auch und gerade sachlich gut begründete Kundgebungen für ihre gewalttätigen Zwecke und das dadurch provozierte Medienecho missbrauchen, ist friedlichen Demonstranten kaum damit gedient, dass Brasilien in diesem Jahr Gastland der Buchmesse ist. Dies deshalb, weil alles, was während der weltweit größten literarischen Leistungsschau in dem südamerikanischen Land geschieht, unter besonderer Beobachtung steht. Krawalle sollten zwar auf deren konkrete Urheber zurückfallen. Doch so differenziert dürfte kein Fernsehzuschauer urteilen, der 9500 Kilometer von einem Unruheherd entfernt lebt, wenn er Bilder eines plündernden und zündelnden Mobs sieht. Irgendwas bleibt immer hängen - in diesem Fall an Brasilien. Diese stolze wie gebeutelte Nation, für die der Gastauftritt bei der Buchmesse eine Chance ist, seine kulturellen Hervorbringungen in ein gutes Licht zu rücken. Zugleich liegt darin aber auch ein Risiko. Dann nämlich, wenn brasilianische Chaoten das einreißen, was die literarischen Diplomaten ihres Heimatlandes in Frankfurt gerade mühselig aufbauen: Vertrauen, Dialog, Verständnis. Jene 70 Buchbotschafter, die Brasiliens Kulturministerium nach Deutschland entsandt hat, sollten die Krawalle darin bestärken, für ihr Land zu werben und dessen Widersprüche zu erklären. Literatur kann eine Brücke sein, wenn das, was sie beschreibt, nicht den Brandschatzern überlassen bleibt.
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