Weser-Kurier: Zur sozialen Gerechtigkeit in Deutschland schreibt Hans-Ulrich Brandt:
Bremen (ots)
Es ist doch immer wieder erstaunlich, zu welch verbalen Verrenkungen Politiker fähig sind, wenn es darum geht, sich die Welt schönzureden - oder sie wenigstens in nicht ganz so düsteren Farben darzustellen. Die Bundeskanzlerin ist darin eine Meisterin, und die Neue im Amt der Arbeits- und Sozialministerin, Andrea Nahles, hat sich ebenfalls schon einiges von der Chefin abgeschaut. Dank Angela Merkels klarer Worte beim Sozialverband VdK wissen wir also: Es gibt in Deutschland zwar ein soziales Gefälle, aber "die soziale Spaltung hat sich in den letzten Jahren nicht vertieft". Nein, natürlich nicht! Wie hätte das auch passieren können, schließlich wird die Bundesrepublik ja in eben diesen "letzten Jahren" von Angela Merkel höchstselbst regiert. Und die lässt so etwas gar nicht zu, im Gegenteil. Also den Blick schnell nach vorn ins Ungefähre gerichtet und soziale Verbesserungen angepriesen. Mindestlohn, Rentenpaket, Pflegereform - ist doch alles in Arbeit, wird doch alles gut. Die unerschütterliche Zuversicht der Kanzlerin wird artig unterstützt von Andrea Nahles. Die war eigentlich als Sozialdemokratin ins Ministeramt gestartet, mutiert jedoch inzwischen immer mehr zu einer Parteilosen. Ihre Positionen zu Oppositionszeiten - das war eben vor dem Regieren. Und so sind auch bei Nahles die Rente mit 63 und die Mütterrente "eine wichtige Weichenstellung für mehr soziale Gerechtigkeit". Deshalb, so die zwingende Logik der Arbeitsministerin, muss der Bundestag in der nächsten Woche dem Rentenpaket unbedingt zustimmen. Doch das ist schlichtweg falsch. Ginge es der Großen Koalition um soziale Gerechtigkeit, dann müsste das Parlament eindeutig Nein zu diesen Plänen sagen. Sie führen nämlich dazu, dass der Rentenbeitrag mittelfristig steigen und das Rentenniveau noch weiter sinken wird. Das belastet die heute jüngeren Versicherten gleich doppelt. Außerdem wird die Rente mit 63 im wesentlichen durch Beitragszahler und Rentner finanziert. Sie müsste aber, wie die Mütterrente auch, aus Steuermitteln bezahlt werden. Doch Union und SPD reicht es, ihre Wahlversprechen umzusetzen. Wer wird denn da so kleinlich sein und über Sinn und Unsinn beziehungsweise die richtige Finanzierung reden wollen.
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