Weser-Kurier: Kommentar von Joerg Helge Wagner zum Iran-Atom-Komplex
Bremen (ots)
Nein, es geht nicht "zurück auf Los" bei den Atomgesprächen mit Iran: Anders als vor elf Jahren gibt es ja inzwischen ein Interimsabkommen, das auch nach dem Scheitern der Gespräche in Wien gültig bleibt. Und in dieser Grundlage für weitere Verhandlungen steht schon eine ganze Menge drin. Ein ausgeklügeltes System aus Vorgaben, Kontrollen und möglichen Sanktionen soll verhindern, dass die Islamische Republik Iran doch noch zur Atommacht wird. Das ist mehr als nötig, denn das Mullah-Regime verfügt über eine der größten Streitmächte des Nahen und Mittleren Ostens. Und die mischt munter in allen Konflikten mit. In Syrien auf Seiten des Diktators Assad, im Libanon und im Irak als Schutzmacht für diverse schiitische Milizen, im Gaza-Streifen als Lieferant der islamistischen Hamas. Das ist so unverhohlen wie die Todfeindschaft zum jüdischen Staat. Kein Wunder, dass man in Jerusalem die eigenen Atomwaffen als ultimative Lebensversicherung betrachtet. Aus dieser Gemengelage kann ein Großbrand entstehen, gegen den die schon fürchterlichen Gemetzel in Syrien und Irak wie Lagerfeuerchen wirken. Die weitere Suche nach einem Kompromiss ist zum Glück alternativlos für alle Beteiligten. Irans Präsident Ruhani steht bei seiner Bevölkerung im Wort, die immer unangenehmeren Folgen der westlichen Embargo-Politik zu lindern. Da nutzt es ihm wenig, wenn Russland bereit ist, zwei weitere Reaktoren zu liefern. Die beiden Parias können den internationalen Druck zwar zu zweit ertragen, aber dadurch nicht halbieren. Andererseits werden sie auch gebraucht, vor allem im Kampf gegen die sunnitischen Extremisten des IS, des Islamischen Staates. Am Ruin, gar am Auseinanderbrechen des Iran hat niemand Interesse - auch nicht Israel. Zudem gibt es einen iranischen Präsidenten, der zwar längst nicht "pro-westlich" ist, aber immerhin Realpolitiker. Es ist eben ein verdammt dickes und hartes Brett, das da in Wien gebohrt wird. Hauptsache, niemand verliert dabei die Nerven.
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