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Rheinische Post: Münteferings schweres Erbe

Düsseldorf (ots)

Von Thomas Seim
Franz Müntefering ist Sauerländer durch und durch. Franz 
Müntefering ist katholisch, und er legt Wert darauf. Familie und Ehe 
gehören für ihn zu den Grundpfeilern des eigenen Lebens. Die schwere 
Krebserkrankung seiner zweiten Frau ist ihm nun wichtiger geworden 
als der Dienst für das Land und seine Regierung. Es ist eine 
Entscheidung, die Anerkennung verdient und auch erhält.
Mit seinem Abgang zieht Franz Müntefering allerdings auch die 
logische Konsequenz aus dem rapiden Machtverfall der vergangenen 
Wochen. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck, dessen Führungsqualitäten 
lange angezweifelt wurden, zwang den Vize-Kanzler in einen Machtkampf
um die Verlängerung des Arbeitslosengelds I und nahm ihm damit 
endgültig die Führungsrolle in der SPD. Einem Mann wie Müntefering 
war von da an klar, dass seine Zeit abläuft. Beim Koalitionsgipfel 
hat er nun seine zweite schwere Niederlage in kurzer Zeit kassiert: 
Der Mindestlohn, den er zu seiner Sache machte, kommt nicht. Auch im 
Kabinett war der Vizekanzler, der Politik vor allem als Machtfrage 
definiert, damit machtlos geworden.
In der Koalition verändert sich die Tektonik. Bundeskanzlerin Angela 
Merkel, die bislang in ihrem Vizekanzler einen berechenbaren Partner 
am Kabinettstisch hatte, wird von nun auch mit einem dauernden 
Koalitionsausschuss regieren müssen, in dem sich der neue starke Mann
der SPD, Kurt Beck, breit macht. Dass Beck nicht selbst ins Kabinett 
Merkel eintritt, dokumentiert dabei den weiter wachsenden 
Führungsanspruch des Rheinland-Pfälzers: Er will mit der Kanzlerin 
auf Augenhöhe, von Regierungschef zu Regierungschef verhandeln 
können, ohne dabei in die Disziplin ihres Kabinetts eingebunden zu 
sein. Ein Blick auf die Art und Weise, in der Kurt Beck die Nachfolge
Münteferings regelte, unterstreicht diesen Befund: Olaf Scholz ist 
ein respektierter und respektabler Politiker. Aber mehr auch nicht. 
Jedenfalls garantiert er dem SPD-Chef, dass dessen Macht nicht 
angezweifelt wird. Das gilt auch für Außenminister Steinmeier, der 
den Titel des Vize-Kanzlers künftig wieder eher als Ehrentitel und 
nicht als Nebenkanzler wird interpretieren müssen.
Für Angela Merkel wird das Regieren damit nicht leichter. Schon der 
Koalitionsgipfel in der Nacht zum Dienstag gab einen Vorgeschmack auf
die wachsenden Konflikte zwischen Union und SPD. Ob Mindestlohn oder 
Bahn-Privatisierung, Pflegereform oder Kinderbetreuung  der 
SPD-Vorsitzende wird angesichts nach wie vor dramatischer Umfragen 
versuchen, Profil um jeden Preis zu gewinnen. Für sich. Und mit Blick
auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen und 
Hamburg auch für die SPD. Der Linkskurs der Partei, der sich auf dem 
Parteitag in Hamburg andeutete, ist gestern manifestiert worden. Er 
wird angeführt von Kurt Beck. Und er dokumentiert dessen Willen zur 
Kanzlerkandidatur.

Pressekontakt:

Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303

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