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Rheinische Post: Sozial-liberale Koalition Von Sven Gösmann

Düsseldorf (ots)

Eine knappe Woche ist Schwarz-Gelb alt. Noch
fehlen dieser Verbindung Ziel und Richtung. Was kann Schwarz-Gelb 
sein? Ein Projekt, wie es 1998 die rot-grünen Koalitionäre in ihrer 
Soziologensprache für sich beanspruchten? Klingt unmöglich für 
Schwarz-Gelb. Diese Konstellation wirkt auf den ersten Blick zu sehr 
wie eine Neuauflage mit altbekannten Gesichtern. Manche von ihnen 
begleiteten als junge und jüngere Männer schon die dann ausgebliebene
"geistig-moralische Wende" 1982/83.
FDP-Chef Westerwelle hat bislang nur die Parole "auf dem Teppich 
bleiben" ausgegeben. Das ist für den einstigen Guidomobilisten ein 
bemerkenswerter Lernerfolg, aber noch keine Agenda. Und Angela 
Merkel, die andere Taktgeberin? "Kanzlerin aller Deutschen" wolle sie
sein, ließ sie verlauten. Seitdem herrscht königliches Schweigen. 
Merkel und Westerwelle, dieses auch schon neun Jahre in wilder Ehe 
lebende Politpärchen, versucht immerhin, alte Fehler zu vermeiden. 
"Durchregieren"  diese Vokabel haben beide aus ihrem Wörterbuch 
gestrichen.
Also weitermachen wie Schwarz-Rot, nur schwarz-gelb angetüncht? Mal 
solide wie in der Krise, mal wurschtig wie in der Gesundheitspolitik?
Das grenzte an Wähler(ent)täuschung. Denn die schwarz-gelbe 
Bundesregierung hat eine große Chance, sich Sinn und Ziel zu geben, 
indem sie eine buchstäblich sozial-liberale Koalition würde.
Sozial, weil sie die in der Christdemokratie verwurzelten Werte neu 
beleben und in die Herausforderungen moderner Politik übersetzen 
könnte: Wie federt man die Folgen der Krise für die Betroffenen ab 
(Beispiel: Schonvermögen)? Wie bewertet man soziale Gerechtigkeit neu
(Beispiel: kalte Progression)? Wie stiftet man neuen Gemeinsinn 
(Förderung des Ehrenamts) und Chancengerechtigkeit (Korrektur der 
vulgären Umsetzung der Bologna-Idee an den Hochschulen)? Wie teilt 
die reiche Industrienation Deutschland auf sinnvolle Weise ihren 
Wohlstand mit der Welt (durch engagierte Klimapolitik, den Export 
politischer statt militärischer Lösungen nach Afghanistan und 
anderswo)?
Liberal könnte diese Koalition auch sein - das nicht nur der bei 
überfälligen Reform der Steuergesetzgebung im Bereich des 
Erbschaftsteuerrechts, das manchen Übergang gerade in 
mittelständischen Unternehmen erschwert, oder dem Abbau 
überdimensionierter Subventionen zur Rückführung der 
Staatsverschuldung. Liberal auch im Sinne einer größeren 
Aufgeschlossenheit gegenüber modernen Technologien, die sich nicht 
nur in der Neubewertung der Kernkraft ausdrücken kann. Liberal gerade
bei den Bürgerrechten, was sich beispielhaft in einem sachkundigeren,
weniger hysterischen Umgang mit dem Internet und seinen Nutzern 
zeigen könnte.
Sozial und liberal 2009  ein Jürgen Trittin würde nicht zögern, es 
ein Projekt zu nennen.

Pressekontakt:

Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303

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