Rheinische Post: Danke, Heiliger Vater! Kommentar Von Horst Thoren
Düsseldorf (ots)
Der Papst tritt ab. Zum ersten Mal seit 700 Jahren hat sich ein Oberhaupt der katholischen Kirche entschieden, das höchste Amt aufzugeben. Wer Joseph Ratzinger kennt, weiß, dass er diese Entscheidung überlegt getroffen hat - zum Wohle der Christenheit. Der Professor auf dem Papstthron sieht seine Kräfte schwinden. Das schwere Amt aber erfordert besondere Stärke. Wenn sich auch in den vergangenen Monaten die Anzeichen verstärkten, dass Benedikt XVI. auf stützende Hilfen angewiesen ist, so kam der Rücktritt doch überraschend. In rheinischen Landen glaubten selbst intime Kenner des Vatikans sogar zunächst an einen Karnevalsscherz, als gegen Mittag italienische Nachrichtenagenturen vermeldeten, der Papst habe seinen Rücktritt angekündigt - auf Latein. Wie auch immer: Der ungewöhnliche Abgang des Pontifex - vor der in Rom zum Konsistorium versammelten Kardinalsversammlung - kann nur als honorig bezeichnet werden! Einflüsse von außen, wie in der Politik üblich, zwangen ihn nicht dazu. Wohl aber die Erkenntnis, dass er sich und der Kirche das über Monate vollzogene öffentliche Leiden seines seligen Vorgängers Johannes Paul II. ersparen sollte. Von Anfang an war klar, Benedikt XVI. würde aufgrund seines Alters ein Papst des Übergangs sein. War sein Vorgänger der Seelsorger auf dem Papstthron, der in seinem Wirken das Väterliche betonte, so erschien Benedikt als der hervorragende Verwalter einer Kirche im Umbruch. Als Heiliger Vater hat Benedikt XVI. strenge kirchliche Wahrheiten verkündet - nicht immer zur Freude der liberalen Gläubigen in Deutschland. Er hat notwendige Klarheiten geschaffen, die den moralischen Anspruch der Glaubensgemeinschaft unterstreichen. Dabei war kein Pontifikat so schwierig wie die Amtszeit des deutschen Papstes: Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen, die Auseinandersetzung mit dem Islam, die Annäherung zwischen den Weltkulturen, das Finanzgebaren der Kirche, Skandale im Vatikan... Benedikt XVI. war als Moderator gefragt, wurde als moralische Instanz gefordert, aber auch scharf kritisiert. Gleichwohl: Benedikt XI. erreichte das Herz vieler und vor allem junger Menschen. Seine größte Resonanz fand dieser Papst beim Weltjugendtag 2005 in Köln. Das von Hunderttausenden junger Christen angestimmte "Be-ne-det-to" zeigte eindrucksvoll die Jugendlichkeit der 2000 Jahre alten Glaubensgemeinschaft, deren großväterliches Oberhaupt als Symbolfigur angenommen und gefeiert wurde. Seine eindrücklichste Glaubensbotschaft hinterließ Benedikt XVI. bei seiner Deutschlandreise 2011. Die Aufforderung, die Kirche zu entweltlichen und auf das Wesentliche der Seelsorge zu konzentrieren, verschreckte zwar zunächst die Glaubensfunktionäre, wies die Kirche aber auf ihren Ursprung hin. Ein Grundverständnis, das auch in den tiefgründigen, analytischen Schriften des Heiligen Vaters zum Ausdruck kommt. Das wissenschaftliche Erbe des scheidenden Papstes dokumentiert die Grundwerte einer Kirche, auf deren Fundament sich die Sehnsucht des Kirchenvolkes nach inhaltlicher Erneuerung erfüllen kann. Der weiße Rauch aus der Sixtinischen Kapelle, der noch im März aufsteigen wird, sollte also einen Papst ankündigen, der ein Erneuerer ist: Die Rolle der Laien, die Rolle der Frau, die Rolle der Seelsorge sind neu zu bestimmen. In einer säkularisierten Gesellschaft muss sich die Kirche neu finden und sich offen den Fragen stellen, die gerade junge Gläubige bewegen. Das Bild des Papstamtes hat sich mit diesem Rücktritt gewandelt: Gesucht wird ein Manager für die Weltkirche! Benedikt XVI. hat mit seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche bis zuletzt mit voller geistiger und gestandener körperlicher Kraft agieren muss, um in einer globalen Welt glaubhaft zu bestehen. Die Gläubigen verlangen nach Orientierung, sie brauchen mehr als den Festtags-Segen "Urbi et Orbi". Das hat Benedikt XVI. erkannt. Er will die Kirche den Weg in die Zukunft weisen - und tritt deshalb zurück. Bei seiner Wahl freuten sich die Deutschen: "Wir sind Papst!" Bei seinem Abschied sollten wir uns dankbar verneigen: "Wir waren ein guter Papst."
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