Rheinische Post: Ein vorläufig gutes Ende des Euro-Pokers Kommentar Von Antje Höning
Düsseldorf (ots)
Zehn Tage lang stand die Währungsunion vor dem Scheitern. Griechenland rutschte in die Pleite, der Rest Europas versank im Streit. Dann rauften sich die Staatschefs zusammen und wendeten das Ende einer großen Idee ab. Das ist die gute Nachricht der langen Nacht von Brüssel. Mögen Stammtische und Ökonomie-Professoren seit langem "Grexit!" rufen und wäre ein solcher für Europa auch verkraftbar - für Griechenland hätte das Aus ein ökonomisches Desaster bedeutet. Und für das historische Projekt Europa einen schweren Schlag. Es ist aus vielen Gründen gut, dass Griechenland im Euro bleibt. Dazu zählt auch, dass die Banken wieder öffnen und Euro statt wertlose Schuldscheine an die Bürger ausgeben können. Erleichterung ja, Euphorie nein. Schon morgen, wenn Alexis Tsipras erste Reformen durch sein Parlament bringen muss, wird sich zeigen, was seine Unterschrift wert ist. Seine Partei wird ihm weitgehend von der Fahne gehen, nun muss ausgerechnet der kommunistische Bürgerschreck auf die bürgerliche Opposition hoffen. Misslingt das, steht sein Land umgehend wieder am Abgrund. Lange hatte es so ausgesehen, als wäre Tsipras der beste Spieler im Euro-Poker. Doch am Sonntag fand er seine Meisterin. Mit der Ankündigung, notfalls einen "Grexit auf Zeit" durchzusetzen, ließ die Kanzlerin erstmals eine wirksame Drohung auf den Tisch legen. Wie bei jedem guten Poker war viel Bluff im Spiel. Denn mit dem Auszeit-Vorschlag hatte Merkel nicht nur Frankreich und die USA, sondern auch treue Vasallen wie Österreich gegen sich. Doch erstmals verstand der griechische Premier, dass es ernst wird. Zumal Hellas ohne deutsches Geld nicht zu retten ist - das weiß Athen wie Paris. Bleibt die Frage, wie Tsipras sich so verzocken konnte. Das Sparprogramm, das er gestern unterschrieb, ist weit härter als das, was die Geldgeber vor zwei Wochen von ihm verlangt hatten. Er muss nicht nur Renten- und Steuer-System reformieren, er muss die verhasste Troika ins Land lassen und Staatsvermögen an einen Fonds übertragen, der unter europäischer Aufsicht für die Privatisierung sorgt. Damit bricht Tsipras seine Wahlversprechen und schlägt das Votum des Referendums in den Wind, dessen Ausrufung die Krise erst hatte eskalieren lassen. Beim Verlassen des Poker-Tisches hat aber auch Merkel einen Fehler gemacht. Mit Blick auf ihre Partei verwehrte sie Tsipras die Chance, als guter Verlierer zu gehen. Als Innenpolitikerin taktisch gut gedacht, als wirklich große Europäerin strategisch schlecht gemacht. Das könnte ihr noch leidtun, denn der nächste Euro-Poker kommt bestimmt.
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