ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Jahrespressegespräch: ver.di fordert: Handlungsfähigkeit der Kommunen muss wiederhergestellt werden
Jahrespressegespräch:
ver.di fordert: Handlungsfähigkeit der Kommunen muss wiederhergestellt werden
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) dringt darauf, die Handlungsfähigkeit der Kommunen wiederherzustellen. „Die neue Regierung muss dafür sorgen, dass sie die nachhaltige Stärkung der Kommunen zu ihrer Kernaufgabe macht, damit diese wieder handlungsfähig werden “, fordert die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle. „Die strukturelle Unterfinanzierung hat dazu geführt, dass ein enormer Investitionsstau von 186 Mrd. aufgelaufen ist, der stetig weiterwächst. Deutschlands Kommunen leben seit Jahren von der Substanz. Das ist ausgesprochen bedrohlich, denn je länger nicht investiert werden kann, desto höher sind die Folgekosten und damit die Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Die Folgen der Unterfinanzierung betreffen uns alle, denn zuallererst wird bei den sogenannten freiwilligen Aufgaben der Rotstift angesetzt. Dazu zählen der Betrieb von Bädern, Theatern, Musikschulen, Freizeiteinrichtungen, Sportanlagen, kurz: all das, was das Leben in einem Dorf oder einer Stadt lebenswert macht.“ Besonders dramatisch seien die fast 570.000 unbesetzten Stellen im öffentlichen Dienst. Davon seien alle kommunalen Bereiche betroffen, besonders hoch sei der Personalbedarf in den Ämtern für Einwanderung und Ausländerangelegenheiten. In Großstädten seien bis zu 30 Prozent der Stellen nicht besetzt, so dass Anträge lange Zeit nicht bearbeitet werden könnten.
Behle wies darauf hin, dass das kommunale Finanzierungssaldo in 2024 ca. 15 Milliarden Euro betrage. Zwar würden die Einnahmen der Kommunen leicht wachsen, die Ausgaben jedoch deutlich stärker ansteigen; vor allem weil Aufgaben an die Kommunen übertragen worden wären, die nicht ausfinanziert seien.
In einigen Bundesländern sei die Überlastung des Haushalts besonders verheerend, so zum Beispiel in Baden-Württemberg, wo 87 Prozent der Städte einen negativen Haushalt vorwiesen. Das habe konkrete Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit von Kommunen. In Tübingen sollten daher beispielsweise unter anderem die Kita-Gebühren erhöht und das Busangebot verringert werden, um das Defizit auszugleichen. Ähnlich dramatisch sei die Lage in Niedersachsen: die Stadt Braunschweig etwa habe ein erwartetes Haushaltsdefizit von 500 Mio. In Nordrhein-Westfalen hätten 378 Kommunen in 2025 keinen genehmigungsfähigen Haushalt.
Aufgrund der finanziellen Situation der Kommunen seien diese auch am Arbeitsmarkt benachteiligt. Schon jetzt gebe es nahezu überall einen dringenden Personalbedarf. Dazu komme, dass in den nächsten zehn Jahren in Bund, Ländern und Kommunen 1,3 Millionen Beschäftigte in den Ruhestand gehen; bei den Kommunen würden in den nächsten Jahren mehr als 520.000 Beschäftigte ausscheiden, das seien 30,2 Prozent, also fast ein Drittel der Beschäftigten. Damit würde sich die Lage immer mehr zuspitzen. „Die Situation in den Kommunen und bei den Beschäftigten ist am Limit“, kritisiert Behle. „Es muss jetzt dringend etwas getan werden, um die Handlungsfähigkeit wiederherzustellen.“
Die ver.di-Vize forderte Bund und Länder auf, gemeinsam dafür sorgen, die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen zu beenden. Zudem sei eine Erhöhung des Steueraufkommens, und ein höherer Anteil an den Gemeinschaftssteuern für Städte, Gemeinden und Landkreise seien notwendig. Notwendig sei außerdem die Einführung eines kommunalen Investitionsprogrammes sowie eine effektive Etablierung der Altschuldenregel.
Behle machte zudem auf den Fachkräftemangel in der frühkindlichen Bildung aufmerksam. Insgesamt würden derzeit 100.000 Fachkräfte in den Kitas fehlen. In Westdeutschland würden nicht alle Kinder einen Kitaplatz erhalten, außerdem müssten die Öffnungszeiten eingeschränkt werden, wenn die Personallücke zu groß sei; in Ostdeutschland würde aufgrund eines schlechteren Personalschlüssels immer mit zu wenig Personal gearbeitet werden. Beides sei außerordentlich problematisch sowohl für die Beschäftigten als auch für Eltern und Kinder. Hier bestehe dringender Handlungsbedarf, fordert Behle.
V.i.S.d.P.
Martina Sönnichsen ver.di-Bundesvorstand Paula-Thiede-Ufer 10 10179 Berlin Tel.: 030/6956-1011, -1012 E-Mail: pressestelle@verdi.de www.verdi.de/presse