Sozialverband Deutschland (SoVD)
SoVD fordert Erneuerung statt Abbau des Sozialstaates
Berlin (ots)
Der neu gewählte Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) Adolf Bauer hat zum Abschluss der dreitägigen 15. Bundesverbandstagung der Organisation im Hotel Estrel in Berlin eindringlich an Bundesregierung und Opposition appelliert, bei weiteren Sozialreformen vor allem die Interessen der finanziell schwächeren Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen. Präsident Bauer: "Wir unterstützen Strukturreformen mit dem Ziel, Defizite zu beseitigen und Fehlentwicklungen zu korrigieren. Aber wir wehren uns mit Nachdruck gegen eine Sparpolitik auf dem Rücken der arbeitslosen, kranken und älteren Menschen."
Die Delegierten der 15. Bundesverbandstagung des SoVD verabschiedeten einstimmig eine "Berliner Erklärung" mit zehn Grundsatzforderungen zur Sozialpolitik. Präsident Bauer: "Die zentralen Forderungen des SoVD richten sich auf den Erhalt des Sozialstaates, die Stärkung der Solidarität und gegen die Spaltung der Gesellschaft durch Arbeitslosigkeit und Armut." Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, so Präsident Bauer, müssten Chancengleichheit und gesellschaftliche Integration für alle Personengruppen gewährleistet sein.
Die Delegierten verabschiedeten darüber hinaus die neuen sozial-, frauen- und jugendpolitischen Programme der Organisation für die nächsten vier Jahre sowie zahlreiche sozialpolitische Anträge der Landesverbände. Gewählt wurde auch der neue Bundesvorstand. An der Seite des neu gewählten Präsidenten Adolf Bauer wurden Marianne Saarholz und Jürgen Weigel zu Vizepräsidenten ernannt.
V.i.S.d.P.: Hans-Jürgen Leutloff
Anhang:
Berliner Erklärung des SoVD vom 16. Oktober 2003
Die Delegierten der 15. Bundesverbandstagung des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) haben am 16. Oktober 2003 in Berlin im Rahmen ihrer Beratungen des neuen Sozialpolitischen Programms die nachfolgende Resolution verabschiedet:
BERLINER ERKLÄRUNG - 10 Grundsatzforderungen zur Sozialpolitik -
Der SoVD hat in seiner über 80-jährigen sozialpolitischen Tätigkeit die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland wesentlich mitgestaltet. Der Sozialstaat Deutschland steht vor größten Herausforderungen:
Die anhaltende Massenarbeitslosigkeit bedroht die finanziellen Grundlagen des Staates und der sozialen Sicherungssysteme.
Die Schere zwischen Arm und Reich wächst kontinuierlich. Für eine zunehmende Zahl von Menschen ist die Überwindung sozialer Grenzen erschwert und die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe gefährdet.
Die demographische Entwicklung wird die Struktur der deutschen Bevölkerung langfristig tiefgreifend verändern.
Die Delegierten sind sich darin einig, dass sich unsere sozialen Sicherungssysteme grundsätzlich bewährt haben und reformfähig und reformwürdig sind. Sie rufen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf, gemeinsam für den Erhalt und die Fortentwicklung unserer solidarischen Sozialsysteme einzutreten, die sowohl heutigen als auch künftigen Generationen die Gewissheit geben müssen, bei Krankheit, Arbeitslosigkeit, Invalidität, Pflegebedürftigkeit und im Alter vor materieller Not und sozialem Abstieg geschützt zu sein.
1. Der SoVD fordert, den Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit wieder zum Maßstab allen politischen Handelns zu machen. Notwendige Konsolidierungsmaßnahmen müssen das Gebot ausgewogener sozialer Lastenverteilung und Gerechtigkeit beachten.
2. Der SoVD fordert, den Sozialstaat als integralen Bestandteil unseres demokratischen Gemeinwesens zu erhalten und zu festigen. Er war und ist Garant für den Erhalt des inneren und sozialen Friedens. 3. Der SoVD wendet sich gegen zunehmende Entsolidarisierung und Individualisierung in der Gesellschaft. Mit mehr Solidarität und sozialem Zusammenhalt auch zwischen den Generationen können die Probleme gelöst werden.
4. Der SoVD fordert, Massenarbeitslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung umfassend und nachhaltig zu bekämpfen. Durch eine aktive Beschäftigungspolitik und die Förderung der Familien- und Bildungspolitik muss die weitere Spaltung der Gesellschaft verhindert werden.
5. Der SoVD fordert eine verlässliche Rentenpolitik mit zukunftsweisenden Perspektiven für jüngere und ältere Versicherte: Ausbau der Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung sowie ausreichender Bundeszuschuss statt durchgreifender Leistungskürzungen.
6. Der SoVD fordert die Fortentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung und wendet sich mit Entschiedenheit gegen die Privatisierung von Gesundheitsrisiken. Statt Patienten und Versicherte mit mehr als 20 Milliarden Euro zusätzlich zu belasten, müssen die Solidargemeinschaft gestärkt und alle Wirtschaftlichkeitsreserven im Gesundheitswesen ausgeschöpft werden.
7. Der SoVD fordert, den mit dem Sozialgesetzbuch REHABILITATION (SGB IX) und dem BEHINDERTENGLEICHSTELLUNGSGESETZ eingeleiteten Paradigmenwechsel für Selbstbestimmung und umfassende Teilhabe behinderter Menschen in der Praxis stärker mit Leben zu erfüllen. Alle Beteiligten sind aufgerufen, die neuen Chancen und Möglichkeiten des SGB IX zu nutzen.
8. Der SoVD fordert nach wie vor von der Bundesregierung die Vorlage eines zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes und eines Leistungsgesetzes für die umfassende soziale Integration behinderter Menschen. Der SoVD warnt zugleich vor einer rigorosen Sparpolitik im Bereich der beruflichen Rehabilitation.
9. Der SoVD fordert die Weiterentwicklung der Pflegestrukturen in Deutschland statt Abschaffung der Pflegeversicherung. Neue Wohnformen und der Ausbau der häuslichen Pflege müssen einer menschenwürdigen Pflege dienen und können zu finanziellen Entlastungen beitragen. 10. Der SoVD fordert, im Rahmen des europäischen Einigungs- und Erweiterungsprozesses sicherzustellen, dass für alle Bürgerinnen und Bürger Europas ein Höchstmaß an sozialer Sicherheit und Chancengleichheit erreicht wird.
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