Lausitzer Rundschau: Judiths Vermächtnis Warum es keine Kooperation mit NPD-Leuten geben kann
Cottbus (ots)
Eines der erschütterndsten Werke in der Literatur zu den Verbrechen der Nationalsozialisten hat im Jahre 2002 der Holocaust-Überlebende Walter Zwi Bacharach herausgegeben. Die Sammlung von rund 150.Abschiedsbriefen, geschrieben von Opfern oft unmittelbar vor ihrer Ermordung, trägt den Titel "Dies sind meine letzten Worte". Sie ist ein Dokument der Verzweiflung, weil sie das historische Faktum des millionenfachen Mordes an den europäischen Juden mit dem Schicksal Einzelner verknüpft - und so aus Zahlen Gesichter macht. Wer das Buch gelesen hat, muss nicht fragen, warum es für Demokraten keine Zusammenarbeit mit den geistigen Erben der Täter von damals geben kann. Eine solche hat der Oberbürgermeister von Weißwasser dieser Tage auch einem gerade in den Stadtrat gewählten Vertreter der NPD angeboten, obwohl er sich von dessen Partei zugleich ausdrücklich distanzierte. Die Formulierung hat er inzwischen zurückgenommen - den Eindruck, er habe aus der Geschichte etwas gelernt oder auch nur die Tragweite des Problems erkannt, vermittelt er der Öffentlichkeit allerdings bis heute nicht. Hinter diesem, durchaus verbreiteten Unverständnis steht der Gedanke, dass in der parlamentarischen Arbeit Parteizugehörigkeiten zugunsten von Sachfragen in den Hintergrund treten sollten. Das ist gerade auf kommunaler Ebene eine sinnvolle Übung - setzt aber voraus, dass es eine Basis gemeinsamer Grundwerte gibt, die abseits von politischen Meinungsverschiedenheiten geteilt werden. Genau diese gemeinsame Basis aber, das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, verlassen Menschen, die sich der NPD anschließen. Denn unabhängig davon, dass ein Verbotsverfahren gegen sie aus formalen Gründen gescheitert ist, macht die Partei selbst überhaupt keinen Hehl daraus, dass sie eben diese Ordnung abschaffen will. Schon deshalb können und wollen ihr übrigens auch Tageszeitungen wie die LAUSITZER RUNDSCHAU nicht neutral gegenüberstehen. Wie könnten sie auch? Die NPD sieht sich selbst in der Tradition jener, die für das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte verantwortlich sind. Und sie vertritt dieselbe Ideologie, die schon einmal in die Katastrophe geführt hat - und die unweigerlich wieder in die Katastrophe führen würde, könnte sie sich noch einmal durchsetzen. Sich den Feinden der Demokratie entgegenzustellen, nicht - in welcher Form auch immer - mit ihnen "zusammenzuarbeiten", ist deshalb Aufgabe aller Demokraten. Es ist auch das Vermächtnis der zwölfjährigen Judith, deren an dieser Stelle schon einmal zitierter, kurz vor ihrem Tod verfasster Brief sich in Bacharachs anfangs beschriebenem Band findet: "Lieber Vater! Vor dem Tod nehme ich Abschied von Dir. Wir möchten so gerne leben, doch man lässt uns nicht, wir werden umkommen. Ich habe solche Angst vor diesem Tod, denn die kleinen Kinder werden lebend in die Grube geworfen. Auf Wiedersehen für immer. Ich küsse dich inniglich. Deine J."
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