Lausitzer Rundschau: Kein Ruhekissen 40 Jahre diplomatische Beziehungen Bonn-Warschau
Cottbus (ots)
Kanzler-Kniefall, Solidarnosc-Aufstand, friedliche Revolutionen, Wiedervereinigung und EU-Osterweiterung: Die deutsch-polnischen Beziehungen der vergangenen 40 Jahre sind reich an spektakulären Ereignissen. 1972 nahmen die Bundesrepublik und die Volksrepublik diplomatische Beziehungen auf. Selbst dieser eher technische Vorgang zog im Kalten Krieg als sichtbares Zeichen der weltweiten Entspannung viel Aufmerksamkeit auf sich. Doch das historisch Große spiegelt sich mitunter auch im Unspektakulären. Erst vor wenigen Tagen präsentierte der Rat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung sein Konzept für das Vertriebenenzentrum in Berlin und - nichts geschah. Wütende Reaktionen in Polen, wie es sie in der Vergangenheit wegen der Ausstellungspläne immer wieder gegeben hatte, blieben aus. Noch vor fünf Jahren, am Ende der Kaczynski-Ära in Warschau, wäre dies undenkbar gewesen. Die nationalistischen Zwillinge betrieben als Präsident und Premier eine betont antideutsche Politik und instrumentalisierten dafür vor allem die Geschichte. In Berlin griffen konservative Kreise um Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach den Fehdehandschuh auf. Nun aber, unter der Regierung des liberalen Donald Tusk und dank der CDU-internen Entmachtung Steinbachs, sind die deutsch-polnischen Beziehungen ausgezeichnet. Es ist keine Übertreibung zu sagen: Das Verhältnis ist so gut wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Lorbeer allerdings taugt nicht als Füllung für ein Ruhekissen. Vielmehr ist die erfolgreiche Aussöhnung eine Verpflichtung für die Politik, die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Und dabei hapert es zwischen Warschau und Berlin sichtbar. All die Sonntagsreden können nicht überdecken, dass von einer echten strategischen Partnerschaft nicht die Rede sein kann. Verantwortlich dafür ist die deutsche Seite. Die Bundesregierung setzt vor allem in der Euro-Krise einseitig auf die deutsch-französische Karte oder probt den Alleingang. Schon wahr: Polen hat als Nicht-Euro-Staat derzeit in Brüssel weniger Gewicht als andere EU-Staaten. Doch die hohe Kunst der Diplomatie ist es, Einfluss zu kanalisieren. Warum der Wille dazu in Berlin nicht vorhanden ist, bleibt 40 Jahre nach dem ersten Botschafter-Austausch zwischen Bonn und Warschau ein Rätsel.
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