Lausitzer Rundschau: Szenen einer Ehe Noch fehlt der Großen Koalition das innere Gefüge
Cottbus (ots)
Bei der Auftaktsitzung des Kabinetts am Mittwoch soll es laut Regierungssprecher Steffen Seibert viel "Vorfreude" auf die künftige Zusammenarbeit gegeben haben. Mag sein. Fakt ist jedoch, die Große Koalition ist so in ihr erstes Jahr gestartet, wie eine Ehe sonst eher endet: ohne Leidenschaft und voller Misstrauen. Verwunderlich ist das aber nicht. Anders als 2005 ist die SPD diesmal absolut widerwillig in das Bündnis mit der Union gegangen, und anders als 2005 herrscht in der CDU weiterhin der Eindruck vor, dass der Koalitionsvertrag zu sehr eine sozialdemokratische Handschrift trägt - damit die des Wahlverlierers. Das macht in beiden Parteien Lust auf Alleingänge und Konfrontation, wie die Konflikte um die Vorratsdatenspeicherung oder um die vereinbarte Einführung des flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 Euro belegen. Als Dritte im Bunde trägt auch die CSU einen erheblichen Anteil zum verkorksten Auftakt bei - wenn nicht sogar den größten: Sie feilt derzeit vehement an ihrem Image des großkoalitionären Querulanten - Stichwort Armutszuwanderung -, um einerseits zwischen CDU und SPD auf Dauer nicht zerrieben zu werden. Und um andererseits die Kommunalwahl Mitte März in Bayern und die Europawahl Ende Mai zu gewinnen. Wenn die vorüber sind, dürfte sich der christsoziale Populismus wieder deutlich abschwächen. Dann werden sie sich im Freistaat auch mehr mit sich selbst beschäftigen, da die Nachfolge des CSU-Parteichefs und Ministerpräsidenten Horst Seehofer zunehmend in den politischen Fokus rücken wird. Das dürfte zugleich befriedend auf das Berliner Koalitionsklima wirken. Obendrein darf beim Blick auf den Zustand der Koalition nicht übersehen werden, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel noch dabei ist, sich in die Rolle des Vizekanzlers und Energieministers einzufinden. Eine Herkulesaufgabe, die ihm im Moment wenig Spielraum lässt, lenkend auf die Sozialdemokraten Einfluss zu nehmen. Das wird sich bald wieder ändern. Demgegenüber kann Angela Merkel wegen ihres Skiunfalls nur sehr eingeschränkt das Regierungshandeln bestimmen. Der Ausfall der Bundeskanzlerin wirbelt die Arbeitsplanung der Großen Koalition stärker durcheinander, als die Bundesregierung zugeben will. Auch das ist nicht von Dauer. Die Neulinge im Kabinett wie Justizminister Heiko Maas, Gesundheitsminister Hermann Gröhe oder Verkehrsminister Alexander Dobrindt sowie einige Parteifunktionäre von Union und SPD nutzen dieses Führungsvakuum allerdings geschickt, um inhaltliche Pflöcke einzuschlagen. Zulasten des koalitionären Erscheinungsbildes. Das innere Gefüge dieser Koalition steht noch nicht. Das ist das momentane schwarz-rote Problem. Angela Merkel ist deshalb klug beraten gewesen, ihre neue Regierung Ende Januar zur Klausurtagung nach Meseberg zu bitten. Dann ist die Einarbeitungszeit vorbei. Dort muss der Grundstein gelegt werden für das, was auch eine politische Zweckehe dringend benötigt: persönliches Vertrauen unter den Ministern. Der Koalitionsvertrag steht auf dem Papier, aber das Miteinander beeinflusst die Politik oft mehr als das, was man schriftlich vereinbart hat. Somit muss der schlechte Auftakt nicht zwangsläufig zum Alltagsprogramm werden. Noch besteht die Chance, dass die schwarz-roten Ehepartner ein paar gute Jahre miteinander haben werden, ehe es endgültig wieder gegeneinander geht.
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