Lausitzer Rundschau: Mehr Schutz - oder mehr Wind? Die Debatte um eine Helmpflicht ist neu entbrannt
Cottbus (ots)
Das gestrige Urteil des Bundesgerichtshofes ist eine gute Nachricht. Weil die Richter der Willkür Einhalt geboten haben, dass sich jeder künftig bei jeder Gelegenheit mangelnde Vorsicht vorwerfen lassen muss. Das hätte weitreichende Konsequenzen gehabt, wenn es um die Bewertung von Schuld, Unschuld oder Mitschuld geht. So aber hat der gesunde Menschenverstand zum Glück gegen das peinliche Verhalten einer Versicherung obsiegt. Und nebenbei hat Karlsruhe den Befürwortern der Helmpflicht erst einmal den Wind aus den Segeln genommen. Auch das ist gut so. Zweifellos hat das Verfahren die Debatte über einen verpflichtenden Kopfschutz für Radfahrer wieder kräftig angeheizt. Sie wird schon seit Jahren geführt. Die Sicherheitsapostel und Volksbeglücker sind hierzulande schwer unterwegs mit ihrer typisch deutschen Haltung - wer nicht hören will, muss fühlen. Soll heißen, wer keinen Helm aufsetzen will beim Radeln, der muss eben dazu vom Gesetzgeber gezwungen werden. Nein, danke. Damit das nicht falsch verstanden wird: Das Lager der Helmfreunde hat in der Tat gute und gewichtige Argumente - bei jedem vierten Unfall eines Radfahrers kommt es zu einer Kopfverletzung. Ein Helm schützt, er senkt zumindest das Risiko eines schweren gesundheitlichen Schadens. Deswegen ist es sinnvoll, ihn zu tragen. Zumal es auf deutschen Straßen nicht gerade freundlicher und zuvorkommender, sondern immer ruppiger und aggressiver zugeht. Seitens der Autofahrer, aber sicherlich auch seitens vieler Radfahrer. Die Zahl der nervenden Kampfradler ist gefühlt rapide gestiegen. Das gehört zur Wahrheit dazu. Noch etwas: Verantwortungsvolle Eltern sollten ihre Kinder sowieso nicht ohne Helm fahren lassen. Allerdings muss jeder erwachsene Radfahrer eigenverantwortlich für sich selbst entscheiden dürfen, ob er mehr Schutz oder mehr Wind um die Ohren haben will. Die Freiheit ohne, die sollte sich jeder nehmen können. Denn es gilt auch auf dem Zweirad immer noch das Prinzip des mündigen Bürgers, das eine freiheitliche Gesellschaft ausmacht. Ohnehin neigen Politik und Behörden dazu, alles Mögliche inzwischen zu regeln und zu reglementieren. Wer andere daher nach dem Karlsruher Urteil immer noch beharrlich mit einer gesetzlichen Helmpflicht beglücken will, sollte daran denken, dass womöglich jeder unter Glück etwas anderes versteht. Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung besagt: "Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht." Jeder muss sich daher so verhalten, dass kein anderer geschädigt, behindert oder belästigt wird. Wenn sich mehr Verkehrsteilnehmer künftig wieder darauf besinnen würden, wäre schon viel erreicht. Mehr als mit einer Helmpflicht.
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