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Lausitzer Rundschau

Lausitzer Rundschau: Zu: Schlagabtausch im Bundestag / Vertane Chance

Cottbus (ots)

Die Lausitzer Rundschau, Cottbus, zu:
Schlagabtausch im Bundestag
Die erste große Debatte im Bundestag seit Beginn der
Hartz-Proteste, der Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition
genau zur Mitte der Legislaturperiode förderte gestern etwas
Bemerkenswertes zu Tage: Die Politik insgesamt wird mehr und mehr zum
Ritter von der traurigen Gestalt, der an den Windmühlenflügeln seines
Selbstverständnisses zu scheitern droht. Wo waren die Botschaften an
die verunsicherten Menschen in Leipzig und anderswo im Osten, die die
Hartz-Reformen zu Tausenden auf die Straße treibt? Wo waren die
Signale für die Menschen im Ruhrgebiet oder anderswo im Westen, deren
Zukunftsängste nicht minder dramatisch sind? Und wo, bitteschön, war
eigentlich das dringliche Bemühen, neue Ost-West-Gräben wieder
zuzuschütten – in Zeiten, in denen doch die rechten und linken
Populisten eine Renaissance erfahren, oder hüben wie drüben plötzlich
die unsägliche Mauer wieder gutgeheißen wird? Fehlanzeige auf der
ganzen Linie. Regierung und Opposition haben gestern nur eines
wirklich unter Beweis gestellt: Die große Politik ringt mit sich
selbst um die Reformen, aber nicht mit denen, die es auf
einschneidende Weise angeht. Sie spricht sich selbst Mut zu, aber
nicht denen, die mit Hartz künftig leben müssen. Die Politik hangelt
sich lieber weiter entlang alter und neuer Scharmützel. Es fehlt der
Aufbruch. Die Chance dazu wurde gestern eindrucksvoll von beiden
Seiten vertan. Traurig, aber wahr. Nun gut. Gerhard Schröder arbeitet
am Denkmal seiner selbst. Eine gute Rede hat er gehalten, wie in
Stein gemeißelt seinen Leuten verkündet, hier stehe ich, ich kann
nicht anders. Respekt, man hat den Genossen angemerkt, dass sie
beeindruckt waren von ihrem nicht sonderlich geliebten Bundeskanzler.
Und Schröder hat Recht: Die Reformen waren längst überfällig. Aber
die deutsche Wirklichkeit ist eben mehr als nur Hartz, der Kanzler
vergisst das leider immer häufiger: Sie steht auch für
Rekordschulden, Wachstumsschwäche, Jobmangel, Pleitewelle,
Bildungsnotstand, Investitionsstau – die Fortsetzung ist kein
Problem. Soll heißen, Gerhard Schröders Welt bietet auf vieles keine
Antworten mehr. Oder zumindest den Versuch von Antworten. Hartz
verstellt ihm den Blick auf die Realitäten. Genau das macht die
Glaubwürdigkeit des Reformers Schröder inzwischen so angreifbar. Der
CDU-Vorsitzenden Angela Merkel ergeht es jedoch nicht besser. Sie
liegt zwar richtig, über die handwerkliche Umsetzung der Reformen
durch die Regierenden kann man sich wunderbar ereifern. Aber auch
Kritikerin Merkel sitzt in der Glaubwürdigkeitsklemme. Wenn die
Chefin der Christdemokraten nun nämlich die neue Union ausruft,
sollte sie doch vorher mal klären, wofür die alte eigentlich stand.
Das Eine gehört schließlich zum Anderen.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau

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