Lausitzer Rundschau: Deutschland übernimmt die Ratspräsidentschaft der EU Ehrgeizige Kanzlerin
Cottbus (ots)
Die Finnen gehen, die Deutschen kommen. Und sie knüpfen hohe Erwartungen an die EU-Präsidentschaft, die Deutschland für ein halbes Jahr ins Rampenlicht der großen Politik katapultiert. Sechs Monate lang ist Angela Merkel die Chefin der EU. Die Bundeskanzlerin wird die Geschicke der Gemeinschaft lenken und hat sich nicht weniger vorgenommen, als diese umzukrempeln. So will sie Europas ehrgeizigstes Projekt, die Verfassung, neu beleben. Das ist ganz im europäischen Interesse, denn der Motor der Institutionen ist durch die schiere Größe der Union überlastet und kann nur durch eine gründliche Überholung wieder rund drehen. Das ist aber auch im deutschen Interesse. Ist der Vertrag in Kraft, dann geht nicht nur Berlins Wunsch nach einem europäischen Außenminister mit eigenem diplomatischen Dienst in Erfüllung. Deutschlands Einfluss in der Union wird deutlich wachsen - durch ein höheres Stimmengewicht im EU-Ministerrat und mehr Macht für das Europaparlament, in dem schon jetzt die deutschen Parlamentarier den Ton angeben. Beherzt ergreift Merkel die Chance, um dem Projekt neues Leben einzuhauchen. Und sie ist gut beraten, dabei sehr behutsam vorzugehen. Denn die Stimmungslage könnte kontroverser nicht sein. Da machen die Befürworter Druck. Luxemburg und Spanien wollen jene 18 Mitgliedsstaaten zusammentrommeln, die bereits ratifiziert haben. Die Botschaft ist simpel: Er soll die Legitimität des vorliegenden Entwurfs stärken und die Nein-Sager in die Defensive treiben. Die aber halten dagegen - insbesondere die Niederlande und Frankreich. Und da gibt es noch die Briten, die von der Verfassung gar nichts halten. Spätestens auf dem EU-Gipfel muss Merkel klar geworden sein, dass sie die Sache behutsam angehen muss. So schickt sie ihre Emissäre erst einmal in die Hauptstädte, um die Schmerzgrenzen auszuloten. Aber Merkel wäre nicht Merkel, würde sie dieses "aktive Zuhören" nicht begleiten mit bedrohlichen Botschaften: So kriegen die Erweiterungsanhänger in London zu hören, dass es ohne Verfassung und damit ohne Reformen keinen EU-Zuwachs geben kann. Mitunter greifen deutsche Regierungsvertreter auch zur Geldkeule. Wer sich gegen die Verfassung stelle, der unterminiere die finanzielle Solidarität in der EU. Für Länder, die am Fördertropf der EU hängen, der maßgeblich gespeist wird von Deutschland, ist das eine Hiobsbotschaft. Will Merkel den Vertrag und nicht nur seine kastrierte Miniausgabe, dann darf sie aber auch nicht Europas Bürger vergessen. Notwendig ist eine Aufklärungskampagne zum Sinn des Werkes. Erreicht Merkel ihr hochgestecktes Ziel, dann darf sie sich auch in Europa Helmut Kohls große Stiefel anziehen. Scheitert sie, lebt sie als nationale Politikerin weiter, aber die Ideen des europäischen Grundgesetzes sind tot.
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