Stuttgarter Zeitung: Der einst ranghöchste deutsche Soldat, Harald Kujat, attackiert die Bundesregierung: Früherer Generalinspekteur nimmt Afghanistan-Strategie unter Beschuss
Stuttgart (ots)
Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, übt massive Kritik an der neuen Afghanistan-Strategie der schwarz-gelben Koalition. "Die Bundesregierung setzt mit ihren jüngsten Entscheidungen die Soldaten aus innenpolitischen, koalitionstaktischen Gründen für mehrere Jahre einem erhöhten Risiko aus - in der Hoffnung, die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte werde ab 2011 einen geordneten Rückzug erlauben", sagte Kujat im Interview der "Stuttgarter Zeitung" (Donnerstagausgabe). "Die Folgen werden bald zutage treten", warnte er vor weiteren Anschlägen der Taliban.
Kujat bezweifelt, dass mit der veränderten Vorgehensweise das Vertrauen der afghanischen Bevölkerung zurückzugewinnen sei. "Wenn wir 2014 rausgehen wollen, müssen wir zuvor wie die Amerikaner eine große zusätzliche Anstrengung unternehmen", sagte er. Dazu sei die Bundesregierung offenkundig nicht bereit. "Man kann jedoch nicht einfach die Flucht ergreifen, sonst ist die seit acht Jahren gepflegte Argumentation hinfällig, wonach auch die deutsche Sicherheit davon abhängt, was wir dort erreichen." Die Informationspolitik der Bundesregierung "war zuletzt konfus, widersprüchlich und, was die Menschen schnell erkennen, bemüht abzuwiegeln", bemängelte Kujat. "Mit einer aufrichtigen und wahrheitsgemäßen Informationspolitik hätte sie unserer Bevölkerung durchaus etwas zumuten können." Diese Chance werde erneut vertan.
Mit Blick auf die Afghanistan-Konferenz in London bezeichnete der einst ranghöchste Soldat der Bundeswehr und Vorsitzende des Nato-Militärausschusses die Abzugspläne zudem als "Hinweis für unsere Verbündeten, dass wir bereit sind, die Solidarität mit ihnen aufzukündigen, indem wir den Abzugstermin nicht mehr wie sie an den Ergebnissen messen, sondern ihn willkürlich setzen". Das sei etwas, was die Verbündeten nicht verstünden und Besorgnisse über die Zuverlässigkeit der Deutschen in künftigen Krisen und Konflikten wecken müsse. Wer sich daran erinnere, dass die Bundesregierung die Bitte der Verbündeten um Unterstützung im Süden Afghanistans brüsk abgelehnt hätte, weil die Bundeswehr im Norden vermeintlich eine schwere Bürde zu tragen hätte, "muss die Verlegung von 5000 US-Soldaten in den deutschen Verantwortungsbereich als tiefe Demütigung empfinden."
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