Deutsches Institut für Menschenrechte
Menschenrechtsinstitut: Migrationspolitische Maßnahmen müssen grund- und menschenrechtskonform sein
Berlin (ots)
Anlässlich der aktuellen Diskussion um Verschärfungen des Asylrechts erklärt Nele Allenberg, Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/Europa:
"Der tödliche Messerangriff von Aschaffenburg, aber auch die Angriffe von Magdeburg und Solingen haben nicht nur das Land erschüttert, sondern auch die Migrationspolitik in das Zentrum des Wahlkampfes gerückt. Alle Parteien mitten im Wahlkampf tragen eine besondere Verantwortung, den ohnehin aufgeladenen Diskurs nicht noch weiter zu verschärfen. Was wir sehen, ist das Gegenteil: Die furchtbaren Ereignisse werden genutzt, um zu polarisieren. Schutzsuchende und Einreisewillige werden pauschal als Gefahr dargestellt. Das leistet rassistischen Vorstellungen Vorschub, vergiftet das Zusammenleben aller in diesem Land und gefährdet in letzter Konsequenz Menschenleben.
Maßnahmen gegen Verbrechen wie in Aschaffenburg, Magdeburg und Solingen müssen im Einklang mit den Grund- und Menschenrechten stehen. Die Umsetzung des 5-Punkte-Plans, den die Unionsfraktion in dieser Woche in den Bundestag einbringen will, würde jedoch auf einen Rechtsbruch hinauslaufen: Denn die vorgeschlagenen Maßnahmen sind mit den europarechtlichen und menschenrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands unvereinbar.
Dem Institut ist es ein besonderes Anliegen, auf die Risiken der Verletzung von Menschenrechten hinzuweisen:
Allen, die an den Grenzen keine Einreisedokumente vorlegen können, die Einreise zu verweigern, würde Schutzsuchende und unter ihnen auch Schutzbedürftige treffen. Das widerspricht der Genfer Flüchtlingskonvention, die mit ihrem Refoulementverbot alle Vertragsstaaten verpflichtet, in einem fairen und effektiven Asylverfahren zu überprüfen, ob Menschen, die Schutz suchen, Verfolgung in ihrem Herkunftsland droht. Deutschland hat die Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt - und zwar aus der Erfahrung der eigenen Geschichte heraus.
Auch der Plan, Ausreisepflichtige zu inhaftieren, - im Fall von Straftätern und so genannten Gefährdern sogar unbegrenzt - verstößt gegen Menschenrechte. Denn Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention setzt Freiheitsbeschränkungen enge Grenzen. Die Regelungen zur Abschiebungshaft in Deutschland müssen diesen Anforderungen entsprechen - nun pauschal alle Ausreisepflichtigen zu inhaftieren, verletzt das Recht der Betroffenen auf Sicherheit und Freiheit.
Pauschale Einreiseverweigerung und flächendeckende, unbegrenzte Grenzkontrollen widersprechen auch europarechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. Denn die Dublin-III Verordnung schreibt vor, die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens zu prüfen. Genau diese Prüfung würde aber mit den pauschalen Einreiseverweigerungen entfallen. Flächendeckende, unbegrenzte Grenzkontrollen widersprechen außerdem dem Schengener Grenzkodex, der Grenzkontrollen an Binnengrenzen zu anderen EU-Mitgliedstaaten nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässt. Europäischen Regelungen so offen eine Absage zu erteilen, widerspricht dem Bekenntnis des Grundgesetzes zur Europäischen Union und gefährdet auch den gerade mühsam gefundenen Konsens des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.
Nach dem ebenfalls zur Abstimmung stehenden Gesetzesentwurf der Unionsfraktion soll dauerhaft die Möglichkeit für Bürgerkriegsflüchtlinge beendet werden, ihre Familien nach Deutschland nachreisen zu lassen. Die Einstellung des Familiennachzugs stellt eine schwerwiegende Einschränkung des Rechts auf Familienleben dar, das zumindest dann nicht hinnehmbar ist, wenn Menschen aufgrund der Bürgerkriegssituation nicht in ihr Herkunftsland zurückreisen können, um dort mit ihren Familien zusammen zu leben. Die Aussetzung des Familiennachzugs hat in der Vergangenheit großes Leid bei den Betroffenen verursacht und sich außerdem als integrationshemmend herausgestellt.
Die schrecklichen Verbrechen, die Menschenleben gekostet haben, lassen sich mit der rigiden Abschottung von Migranten nicht lösen. Stattdessen bedarf es einer besseren Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden. Gewaltbereite Personen müssen früher erkannt werden. Außerdem bedarf es einer flächendeckenden und besseren Ausstattung der psychiatrischen Versorgung - für alle Menschen in Deutschland."
In dieser Woche soll im Bundestag über den 5-Punkte-Plan der Fraktion von CDU und CSU abgestimmt werden. Der 5-Punkte-Plan umfasst unter anderem dauerhafte Grenzkontrollen an den europäischen Binnengrenzen, Zurückweisungen aller Einreiseversuche ohne gültige Einreisedokumente und die Inhaftierung vollziehbar ausreisepflichtiger Personen. Bei Straftätern und so genannten Gefährdern soll dieser Ausreisegewahrsam unbefristet sein, bis eine Ausreise in das Herkunftsland erfolgt. Die Zahl der Abschiebungen soll erhöht werden - auch nach Syrien und Afghanistan.
Am Freitag soll außerdem über das Zustrombegrenzungsgesetz der Unionsfraktion abgestimmt werden. Es sieht die dauerhafte Aussetzung des Familiennachzugs für alle subsidiär Geschützten vor.
Auch die SPD plant, diese Woche einen Vorschlag mit asylpolitischen Maßnahmen in den Bundestag einzubringen.
Weitere Informationen
Pressemitteilung (26.07.2024): Menschenrechtsinstitut kritisiert Aushöhlung des internationalen Flüchtlingsschutzes
Pressemitteilung (06.06.2024): Menschenrechtsinstitut: Das Refoulement-Verbot gilt absolut
Hürden beim Familiennachzug Das Recht auf Familie für international Schutzberechtigte (Stellungnahme Dezember 2020):
Pressekontakt:
Bettina Hildebrand, Pressesprecherin
Mobil: 0160 96650083
E-Mail: hildebrand@institut-fuer-menschenrechte.de
www.institut-fuer-menschenrechte.de
Bluesky | LinkedIn | Mastodon | YouTube
Original-Content von: Deutsches Institut für Menschenrechte, übermittelt durch news aktuell