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Berliner Morgenpost: Das Fiasko in Hessen reißt die SPD auch im Bund mit - Kommentar

Berlin (ots)

Eigentlich kann SPD-Parteichef Franz Müntefering
nicht wirklich unglücklich darüber sein, dass Andrea Ypsilantis 
verbissener Kampf um den Ministerpräsidenposten am Ende gescheitert 
ist. Ihr misslungener Versuch, dank freundlicher Unterstützung der 
Ultralinken doch noch irgendwie an die Macht zu kommen, könnte der 
Beteuerung der SPD nämlich ein bisschen mehr Glaubwürdigkeit 
verleihen, dass es anders als in Hessen im Bund 2009 keine wie auch 
immer geartete Kuschelei mit der Linkspartei geben wird. Das hatte 
Frau Ypsilanti in Hessen zwar auch versprochen, ihr Wort dann aber 
bekanntlich aus Machtgier gebrochen.
Wenn jetzt schon auf Landesebene vier gewissensgeplagte 
Sozialdemokraten eine SPD-Regierung von Gnaden der Linkspartei 
torpedieren, dann müsste ein vergleichbares Experiment auf 
Bundesebene zumindest 2009 erst recht chancenlos sein. Doch statt 
zumindest klammheimliche Erleichterung über das aus den eigenen 
Reihen erzwungene Ende von Frau Ypsilantis Irrweg durchschimmern zu 
lassen, attackiert Müntefering die Vier, empört sich über deren 
Verantwortungslosigkeit - und schweigt zum Wortbruch der Mehrheit. 
Ein glaubwürdiges kategorisches "Nein" zu Experimenten mit Lafontaine
und Gysi auf Bundesebene hört sich anders an.
Zu Recht kann man den drei Landtagsabgeordneten vorhalten, sich - 
anders als Frau Metzger - viel zu spät aus der Deckung gewagt zu 
haben und die eigene Kandidatin ins offene Messer laufen zu lassen. 
Wer allerdings erlebt hat, wie die drei gestern ihre 
Gewissensentscheidung begründet, wie sie letztlich die Interessen des
Landes Hessen über die ihrer Partei gestellt haben, der musste den 
Eindruck von hoher persönlicher Glaubwürdigkeit gewinnen. Zumal sich 
ihre politischen Karrieren - obwohl Abgeordnete in ihren 
Entscheidungen frei, an keine Weisungen gebunden und allein ihrem 
Gewissen verantwortlich sind - unweigerlich dem Ende nähern. Das 
gleiche Schicksal dürfte demnächst auch die zur Führung unfähige 
Andrea Ypsilanti ereilen.
Die Regierung Koch dagegen kann ihre Akten wieder auspacken, die 
bereits gedruckten Ernennungsurkunden für die Nachfolger schreddern 
und als Minderheitsregierung weiter regieren; zumindest bis zu 
Neuwahlen. Die sind jetzt der einzig akzeptable Ausweg.
Nicht nur für Hessens SPD, auch für die Bundespartei ist der tiefe 
Fall der dortigen Genossen ein Desaster. Viel zu lange haben erst 
Kurt Beck und dann Franz Müntefering Frau Ypsilanti gewähren lassen. 
Noch gestern war sich auch "Münte" ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin
sicher und hatte ihr zugerufen: "Macht was Ordentliches draus!" Nun 
ist mit dem Gegenteil zu rechnen. Die SPD hat sich selbst als 
zerrissen und gegenüber ihren Partnern als unzuverlässig erwiesen. 
Das könnte im Mai nächsten Jahres schon wieder unangenehme Folgen für
die SPD haben, wenn der nächste Bundespräsident gewählt wird. Auch 
die Kandidatur von Gesine Schwan ist innerhalb der SPD nicht 
unumstritten, außerdem baut sie wie Andrea Ypsilanti auf alle Stimmen
der Grünen und der Linkspartei. Mit deren Nibelungentreue kann Frau 
Schwan seit gestern allerdings schwerlich länger rechnen. Damit wird 
ihre Wahl noch unwahrscheinlicher. Statt Aufbruch der nächste Absturz
der SPD. Und das vier Monate vor der Bundestagswahl.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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