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Berliner Morgenpost: Wowereit muss sich wieder um Berlin kümmern - Kommentar

Berlin (ots)

Klaus Wowereit ist ein Instinktpolitiker. Er spürt,
wann es Zeit ist, mal wieder ein Zeichen zu setzen. Und diesen Moment
hielt Berlins Regierender Bürgermeister offensichtlich gestern für 
gekommen. Mit seinem Vorschlag, 50 Millionen Euro zusätzlich für die 
Berliner Schulen locker zu machen, springt der bis dahin zögerliche 
Wowereit auf den Zug auf, der bundes- und weltweit in Richtung auf 
mehr staatliche Investitionen für die Bildung und zur Stützung der 
regionalen Ökonomie rast. Er überholt damit seine Koalitionspartner 
von der Linkspartei, die schon lange öffentlich fordert, mehr Geld in
den öffentlichen Gebäudebestand zu investieren. Indem Wowereit seinen
Vorstoß einen Tag nach der Sitzung des Senats lanciert, will er 
Initiative und Führungsstärke zeigen, anstatt brav und loyal den 
Beschluss eines Kollegialorgans zu verkünden.
Dass die 50 Millionen Euro nur deshalb vorhanden sind, weil die von 
Wowereit geführte Berliner Verwaltung unfähig ist, das Geld für 
reguläre Bauinvestitionen im laufenden Jahr für sinnvolle Projekte 
auszugeben, ist jedoch auch wieder kein Ruhmesblatt für die rot-rote 
Koalition und ihren Chef.
Aber Rot-Rot braucht dringend positive Nachrichten. Ihre zwar knappe,
aber lange stabile Mehrheit in den Umfragen haben SPD und Linkspartei
inzwischen verloren. Die Linke stagniert auf ihrem erreichbaren 
Niveau von rund 16 Prozent, die SPD rutscht tendenziell ab, auch weil
aus dem Bund keine positiven Impulse kommen. Die Berliner CDU geht 
gestärkt aus ihrer Führungskrise hervor und kann den Abstand zur SPD 
deutlich verkürzen. Wenn der neue CDU-Landes- und 
Fraktionsvorsitzende Frank Henkel es noch schafft, sich in Berlin 
bekannter zu machen und sein Themenspektrum glaubhaft über die 
Innenpolitik hinaus zu erweitern, kann er sich zu einer Bedrohung für
den sieggewohnten Wowereit entwickeln. Es liegt wieder ein Hauch von 
Spannung in der Luft in der Berliner Landespolitik.
Zumal Wowereits Image als "Everybody's Darling" der Berliner Politik 
gelitten hat. Noch nie in den letzten drei Jahren war weniger 
"Wowi"-Euphorie als heute. Die Zahl derjenigen, die mit ihm zufrieden
sind, sinkt. Vor allem unter den Wählern von Grünen und Linkspartei 
schwindet die Begeisterung. Wowereits Zufriedenheitswerte sind für 
Berliner Verhältnisse immer noch gut. Im Vergleich zu anderen 
populären Landeschefs steht der Berliner nicht ruhmreich da.
Es rächt sich für Wowereit, dass er zuletzt die stadtpolitischen 
Themen stiefmütterlich behandelt und fast ausschließlich auf 
bundespolitische Effekte geschielt hat. Führungsstärke hat Wowereit 
schon letzte Woche bewiesen, als er mit seinem Ja im Bundesrat zur 
Erbschaftssteuer heftigen Krach mit der Linken provozierte. Das war 
ein Zeichen, auch in Richtung Bund. Aber letztlich wollen die Wähler 
in der Stadt überzeugt werden, dass der Regierende Bürgermeister ihre
Probleme ernst nimmt und löst - zum Beispiel in den Schulen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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