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Berliner Morgenpost: Kettenreaktionen in der Weltkonjunktur - Kommentar

Berlin (ots)

Überall dringt ein Raunen über die Flure, in
Politik, bei Banken und Konzernen. Einhellige Meinung: Das war's noch
nicht! Da kommt noch was! Die Krise ist längst noch nicht vorüber! 
Bizarr, aber wahr: In einer von akribischen Zahlendrehern 
beherrschten Ökonomie kann derzeit niemand genau abschätzen, wann und
was auf Deutschland und die Welt noch zurollt. Erstens verraten die 
wenigen, die halbwegs durchblicken, nicht mehr als nötig. Zweitens 
wissen selbst Bankvorstände - geschweige denn Politiker - gar nicht, 
was sich in den kunstvoll verschachtelten Zahlenwerken verbirgt - das
hat der eskalierende Fall Hypo Real Estate gezeigt. Und drittens sind
die Finanz-Pipelines international derart miteinander verschraubt, 
dass angesichts einer schwachen Weltkonjunktur jederzeit 
Kettenreaktionen in Gang kommen können, die mit symbolischen 
Ritualstreitereien über Steuerkrümel bestimmt nicht zu bremsen sind.
Fakt ist: Sowohl die amerikanischen Kreditkartenlasten als auch, in 
geringerem Umfang, die Auto-Finanzierungen dürften ähnliche Risiken 
bergen wie die Immobilienfinanzierungen. Leichtfertig wurden Kredite 
vergeben, obgleich klar war, dass die Kunden nie würden zurückzahlen 
können. Zugleich haben die Banken diese Risiken immer weitergereicht,
bis sie als komplexe Spekulationspapiere an geheimnisvollen 
Offshore-Finanzplätzen landeten. Wie viele Milliarden dieser 
gebündelten Gift-Papiere mögen da noch schlummern, so gut versteckt, 
dass sie derzeit offenbar keiner findet oder finden will? Niemand 
weiß es.
Die Teilverstaatlichung der Commerzbank ist mutmaßlich kein 
Einzelfall, sondern der Beginn von Phase 2 einer Krise, die einem 
vergifteten Überraschungsei ähnelt. Der Einstieg des Staates beim 
zweitgrößten deutschen Bankhaus bedeutet zudem, dass der Schutzschirm
von 500 Milliarden Euro nicht den gewünschten Erfolg bringt.
Mit der Commerzbank als Testobjekt wird nun die Krisenstrategie nach 
dem schwedischen Modell geprobt: Der Staat steigt bei halbwegs 
gesunden oder großen Banken ein, schwache Institute verschwinden, der
Müll wird am Ende wohl in eine zu gründende schwarze Bank 
ausgelagert. Das Beispiel Schweden hat in den neunziger Jahren 
gezeigt, dass sich die staatlichen Aktienpakete durchaus rentieren 
können, wenn sie in besseren Zeiten wieder verkauft werden.
Zuvor bleiben allerdings den Steuerzahlern die Kosten, das 
Schmutzwasser zu reinigen, das herabtropft, wenn Banken durch die 
Waschanlage geschickt werden. Bislang, so scheint es, stehen die 
Institute bestenfalls mit der Kühlerhaube unter der Bürste.
Die Quartalsberichte im ersten Halbjahr 2009 werden Klarheit bringen,
wie viel Dreck da noch klebt. Es wird gruselig, aber Verzögern hilft 
nicht. Erst wenn die ganze bittere Wahrheit offen liegt, ist an 
Sanierung zu denken.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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