Alle Storys
Folgen
Keine Story von BERLINER MORGENPOST mehr verpassen.

BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Die Kleinverdiener würden auch gern helfen - Kommentar

Berlin (ots)

Die Tektonik ist die Wissenschaft von Aufbau und
Bewegung der Erdkruste. Tektoniker vermessen begeistert, wie riesige 
Kontinentalplatten um Millimeter auseinanderdriften, zusammenstoßen, 
sich über Jahrmillionen zu Gebirgen falten. Diese 
Zeitlupenwissenschaft ist hoch spannend. Für jemanden allerdings, der
gerade in einem Haufen Treibsand steckt, ist die Weltsicht des 
Tektonikers nicht besonders hilfreich.
Krise und Konjunkturpaket II illustrieren auf dramatische Weise, wie 
sich das Volk und seine Vertreter voneinander entfernt haben. 82 
Millionen Deutsche stehen mit der Schippe in einem großen Sandhaufen,
etwas verängstigt, häufig ratlos, auf jeden Fall aber allein. Was die
Politik beschließt, hat mit dem Leben von Klein- und Normalverdienern
nicht viel zu tun.
Der Zehn-Punkte-Plan, den die CDU-Spitze, also die Bundeskanzlerin, 
mit dem Koalitionspartner SPD verhandelt, ist von zeitloser 
Wolkigkeit, als würde die Kontinentaldrift beschrieben. Beim 
Wegschippen der alltäglichen Sandhaufen jedenfalls hilft das Paket 
herzlich wenig. Das beginnt schon mit dem dröhnenden Titel "Pakt für 
Deutschland". Mal abgesehen davon, dass in den letzten 20 Jahren 
weltweit nahezu jeder Politiker so ein Pakt-Papier aufgelegt hat, 
bleibt die Frage: Wer hat da einen Pakt mit wem geschlossen? Pofalla 
mit Rüttgers? Merkel mit Steinbrück? Ein Pakt mit den Bürgern ist die
Erfurter Lyrik jedenfalls nicht - sondern durchsichtiges 
Marketing-Geklingel.
Man muss kein Pisa-Streber sein, um auszurechnen, was eine 
Steuererleichterung von fünf Milliarden Euro für die Menschen 
bedeutet: ziemlich genau fünf Euro pro Monat pro Einwohner. Wir 
wollen nicht undankbar sein. Wenn Banken 500 Milliarden bekommen und 
Unternehmen 100 Milliarden, dann ist auch nicht mehr drin. Für die 
kommende Heizkostenabrechnung wird es vielleicht knapp reichen, wenn 
der Winter genau heute endet.
Fakt ist: Viele Kleinverdiener würden der Konjunktur gern helfen und 
mehr konsumieren. Sie können nur nicht. Ob Gebäudereiniger, 
Servicekräfte oder Verkäuferinnen, ob junge Architekten, Juristen 
oder andere Studierte, Millionen Menschen mit soliden Ausbildungen 
leben von unsicheren Monatseinkommen unterhalb aller Tarife. Familie,
Auto oder Urlaub sind kaum noch drin.
Konjunkturpakete wie diese helfen nicht den Menschen, sondern der 
Politik: Beim Gerangel um einige Prozentkrümel lässt sich Handeln 
simulieren, es werden große Summen gedreht, jeder Darsteller auf der 
politischen Bühne darf seine Rolle weiterspielen.
Die Tektoniker haben ihr Ziel erreicht und wieder etwas Zeit 
gewonnen. Für die Menschen mit der Schippe dagegen werden Reformen 
erst spürbar, wenn der erste Maler mit dem Farbeimer tatsächlich im 
Klassenzimmer steht, wenn die Löcher in der Straße gefüllt werden und
das Anpacken dann auch noch halbwegs menschenwürdig bezahlt wird.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
  • 10.01.2009 – 19:09

    Berliner Morgenpost: Nur ein Trostpflaster für die Konjunktur - Kommentar

    Berlin (ots) - Mit einem "Zehn-Punkte-Programm für Deutschland" will die CDU in das Spitzentreffen der Koalition am Montagabend im Kanzleramt gehen. Nach außen hin macht das Vorhaben einen kraftvollen Eindruck: Es soll Steuersenkungen geben, Prämien für den Autokauf und milliardenschwere öffentliche Investitionen. Unternehmen, die keine Kredite bekommen, ...

  • 09.01.2009 – 18:19

    Berliner Morgenpost: Kettenreaktionen in der Weltkonjunktur - Kommentar

    Berlin (ots) - Überall dringt ein Raunen über die Flure, in Politik, bei Banken und Konzernen. Einhellige Meinung: Das war's noch nicht! Da kommt noch was! Die Krise ist längst noch nicht vorüber! Bizarr, aber wahr: In einer von akribischen Zahlendrehern beherrschten Ökonomie kann derzeit niemand genau abschätzen, wann und was auf Deutschland und die Welt ...

  • 08.01.2009 – 20:03

    Berliner Morgenpost: Horst Seehofer mit neuer Rolle

    Berlin (ots) - Zum ersten Mal ist Horst Seehofer als Parteivorsitzender der CSU und als Ministerpräsident ins bayerische Wildbad Kreuth gefahren. Ein legendärer Ort, an dem zuletzt Edmund Stoiber im Jahr 2007 von der eigenen Partei zum Rücktritt gezwungen worden war. Für Seehofer ging das Treffen gut aus. Mehr noch, er machte mit den Beschlüssen der CSU wieder bundesweit Schlagzeilen. Denn die CSU mag zwar ...