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Berliner Morgenpost: Ein neues Gesicht für eine neue Epoche - Kommentar zu Ulrich Nußbaum als Finanzsenator

Berlin (ots)

Wenn Unternehmer in die Politik wechseln, dann ist
das erst mal gut. Im besten Fall sind in der Wirtschaft erfolgreiche 
Leute finanziell und geistig unabhängig, sie sind nicht im 
Politikbetrieb verhaftet, sie haben einen frischen Blick auf 
Probleme. Insofern ist die Wahl von Klaus Wowereit für die Nachfolge 
von Finanzsenator Thilo Sarrazin untadelig.
Ulrich Nußbaum ist ein in seiner Heimat Bremerhaven erfolgreicher 
Mittelständler, agiert weltweit und engagiert sich in der 
Handelskammer. Politisch steht er zwar der SPD nahe, hat es aber 
trotz Drucks und werbender Worte immer abgelehnt, der Partei auch 
beizutreten. Und zwar auch in seiner Zeit als Bremer Finanzsenator 
2003 bis 2007. Damals hatte der Bremer Ober-Sozialdemokrat Henning 
Scherf seiner Partei den Fischgroßhändler für den Posten in einer 
großen Koalition schmackhaft gemacht. Kaum war Scherf weg, und es 
ging um Rot-Grün, wurde der Druck aus der SPD auf Nußbaum größer, 
sich doch endlich ein richtiges Parteibuch zu besorgen. Dass nun 
Klaus Wowereit für seinen rot-roten Senat die gleiche 
Personalentscheidung trifft wie seinerzeit Scherf für seine 
SPD/CDU-Regierung, beweist zweierlei: Wowereit schwebt erstens in 
Berlin so hoch über den Seinen wie damals ein Scherf in Bremen. Schon
murren SPD-Funktionäre über die einsamen Beschlüsse des 
Spitzenmannes. Eine Frage der Zeit, wann der Ärger sich Bahn bricht, 
zumal sich viele Berliner Sozialdemokraten schon häufiger übergangen 
fühlten.
Zweitens ist es Nußbaum offensichtlich gleich, ob er mit 
Konservativen oder mit Postkommunisten Politik macht. Das spricht im 
schlechteren Fall für Prinzipienlosigkeit, im besseren für eine 
unideologische Grundhaltung, auf jeden Fall aber für den inzwischen 
recht seriösen Ruf der Berliner Linken.
Aber die SPD empfindet Wowereits einsame Entscheidung durchaus als 
Ohrfeige, als Ansage, dass keiner von ihnen gut genug sei für den 
Job. Denn natürlich kann Nußbaum nach vier eher unauffälligen Jahren 
im Senat des kleinsten Bundeslandes nicht als A-Besetzung für die 
Nachfolge Sarrazins gelten. Zumal es gerade sein Vorgänger war, der 
öffentlich die Bremer Finanzpolitik auch unter Nußbaum als wenig 
ambitioniert geißelte. Das verwirrt nicht nur Parteisoldaten.
Ein konsequenter Sanierer wie Sarrazin ist Nußbaum nie gewesen. Aber 
ein harter Hund ist für Wowereit auch nicht mehr gefragt als 
Finanzsenator. Das angespannte Verhältnis zu seinem Koalitionspartner
kann Wowereit verbessern, wenn ein anderer Ton herrscht als 
gelegentlich bei Sarrazin. Und angesichts ohnehin wachsender Defizite
steigt allen Beteuerungen zum Trotz die Neigung, wieder Geld 
auszugeben, wie die Entscheidung für höhere Lehrergehälter beweist. 
Zu dieser neuen Epoche der Berliner Haushaltspolitik passt das 
Gesicht des Sanierers Sarrazin nicht mehr. Dafür hat sich Wowereit 
einen Unternehmer aus Bremerhaven gesucht. Am Ende seiner Amtszeit 
als Bremer Senator hatte der Stadtstaat Bremen übrigens trotz 
Bundeshilfen deutlich höhere Schulden als vier Jahre zuvor.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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