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Berliner Morgenpost: Kommentar - Der Senat sollte auf die Kirchen zugehen

Berlin (ots)

Die vergangenen Wochen und Monate waren gut für
Berlin. Hunderttausende Menschen haben sich mit dem Thema Religion 
beschäftigt, haben ihre Unterschrift für ein Volksbegehren zur 
Stärkung des Religionsunterrichts gegeben und sind gestern zur 
Abstimmung über den Volksentscheid Pro Reli gegangen.
Jetzt hat sich eine Mehrheit gegen das Anliegen der Bürgerinitiative 
und der Kirchen gestellt. Das mag damit zu tun haben, dass im 
eigenen, im bürgerlichen Lager bei weitem nicht die Mobilisierung 
erreicht wurde, die sich die Pro-Reli-Anhänger erhofft hatten. Das 
hat auch mit der Kampagne zu tun, die erst in den letzten Tagen 
massiv begonnen wurde. Um in einer grundsätzlich atheistisch 
geprägten Stadt zu bestehen, war das zu wenig. Gleichzeitig konnten 
die Pro-Ethik-Befürworter viele Tausende Menschen zu den Wahlurnen 
bringen.
Das Ergebnis zeigt, wie gespalten die Stadt in der Frage des 
Religionsunterrichts ist. Ein souveräner Senat sollte jetzt 
versöhnen.
Aber ist das möglich? Der Umgang des Regierenden Bürgermeisters Klaus
Wowereit (SPD) mit dem Thema war unsouverän. Er wollte die Abstimmung
partout nicht auf den Europawahltag legen. Das kostet der 
Bürgerinitiative Stimmen und der ohnehin armen Stadt nun 1,4 
Millionen Euro Steuergeld. Selbst das Urteil des 
Oberverwaltungsgerichts zur Neutralität des Senats will Wowereit 
nicht akzeptieren.
Eine Regierung, die das Wohl der Stadt als Auftrag hat, muss auch den
gesellschaftlichen Ausgleich suchen. Wie könnte das geschehen?
Den Kirchen sollten größere Stundenanteile im Unterrichtsfach Ethik 
angeboten werden. Mehr Zeit, in denen sie bekenntnisorientiert ihre 
Grundlagen vermitteln. Hier könnte auch ein Konzept für einen 
Islamkundeunterricht eingebaut werden, der die Fanatiker nicht in die
Schulen lässt. Dieser Religionsunterricht sollte zeitgleich zum 
staatlichen Ethikunterricht angeboten werden. Nach diesen getrennten 
Lehreinheiten würden die Schüler wieder zusammenkommen und gemeinsam 
über das Miteinander diskutieren. Aber dazu wird es wohl nicht 
kommen. Der Senat zeigte sich gestern nicht kompromissbereit. Das 
politische Berlin sollte überlegen, ob Volksentscheide in dieser Art 
wirklich die Demokratie stärken. Mit hohen Beteiligungshürden, mit 
Tricksereien um Abstimmungstage und dem umstrittenen Einsatz von 
Steuergeld.
Die Politiker sollten noch einmal neu nachdenken. In der Hauptstadt 
regierte der Senat seit 1999 regulär für fünf Jahre. Damals wollte 
man aus den ständigen Wahlkämpfen heraus, um mehr Zeit für sachliche 
Entscheidungen zu haben. Mittlerweile hat sich aber gezeigt, dass es 
innerhalb einer Legislaturperiode durch die Volksentscheide sehr wohl
wahlkampfähnliche Situationen gibt. Besser wäre es, die 
Legislaturperiode wieder zu verkürzen. Erstens, damit das Volk 
schneller über die Entscheidungen der Regierenden urteilen kann. 
Zweitens haben kürzere Perioden auch den Vorteil, dass die 
Regierenden vorsichtiger mit Sonnenkönigattitüden werden.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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