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Berliner Morgenpost: GM, Opel und die Not der Steuerzahler

Berlin (ots)

In Amerika ist alles größer. Ganz sicher gilt diese
Feststellung für die Insolvenz des ehemals größten Autobauers der 
Welt, General Motors (GM). Noch niemals zuvor wurde mit derartig 
gigantischem Aufwand versucht, einem Unternehmen einen Neuanfang zu 
verschaffen. Gegen die bald 50 Milliarden Dollar, die allein die 
US-Regierung in die Sanierung des maroden Konzerns steckt, wirken die
deutschen Staatshilfen für die Opel-Rettung fast schon knauserig.
Doch für Amerika geht es im Fall von GM eben nicht nur um den Erhalt 
eines Unternehmens und möglichst vieler Arbeitsplätze, sondern, noch 
viel stärker als in Deutschland, auch um das nationale 
Selbstverständnis. Die US-Autoindustrie und vor allem GM waren über 
Jahrzehnte hinweg Ikonen des Erfolges und der wirtschaftlichen 
Überlegenheit Amerikas. Sie nun vor dem Untergang zu retten ist für 
Präsident Obama auch die Gelegenheit, seinen Glauben an die Reform- 
und Zukunftsfähigkeit des Landes zu demonstrieren. Der Preis für den 
Traum, vielleicht einmal wieder die besten Autos der Welt zu 
produzieren, ist jedoch hoch: GM und seine Mitarbeiter werden 
Einschnitte hinnehmen müssen, die weit über jene hinausgehen, die den
Opelanern bevorstehen. Und Amerika insgesamt nimmt in Kauf, seine 
Form des Kapitalismus, der stets auf freie Unternehmer gesetzt hat, 
bis zur Unkenntlichkeit zu verstümmeln.
Bei allen Unterschieden gibt es eine Gemeinsamkeit im Handeln dies- 
und jenseits des Atlantiks: Sowohl die deutsche wie auch die 
US-Regierung haben ordnungspolitische Grundsätze weit hintangestellt.
Die Amerikaner ganz unverblümt, indem sie GM verstaatlichen. Die 
Deutschen etwas diskreter durch Staatsbürgschaften - wobei diese Opel
im Fall des Platzens der zugesicherten Kredite ebenfalls zu einem 
Staatskonzern machen könnten.
Die Risiken, dass es dazu kommen wird, sind so gering nicht. 
Tatsächlich hat die Bundeskanzlerin, die noch wenige Stunden vor der 
finalen Entscheidung verkündete, Opel nicht um jeden Preis retten zu 
wollen, nun kaum etwas in den Händen. Vielmehr kann der Investor 
Magna ohne allzu große Risiken für sich selbst noch jederzeit 
Abschied von der Opel-Übernahme nehmen und den Schlamassel dem 
Steuerzahler hinterlassen.
Dass angesichts dieser Umstände zumindest Wirtschaftsminister 
Karl-Theodor zu Guttenberg Skrupel verspürt, ehrt ihn. Seine 
weitgehende Isolation in der Frage der Opel-Rettung ist zugleich aber
auch Anklage - gegen den Opportunismus seiner Kabinettskollegen und 
selbst weiter Teile der Union. Die Politik hat sich einem Investor 
ausgeliefert und wider besseres Wissen erpressbar gemacht. Vor allem 
aber hat sie jene Glaubwürdigkeit verspielt, die es ermöglicht hätte,
anderen Bittstellern wie der Karstadt-Mutter Arcandor eine klare 
Absage zu erteilen.
So ist es leider nur zu wahrscheinlich, dass der deutsche 
Steuerzahler am Ende kaum weniger zur Kasse gebeten werden wird als 
der amerikanische. Und dies für politische Interventionen, deren 
dauerhafter wirtschaftlicher Erfolg auf beiden Seiten des großen 
Teiches ausgesprochen fraglich ist.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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