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BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Wahlkampf fernab der Berliner Realität - Leitartikel

Berlin (ots)

Ein Kommunalpolitiker wie Neuköllns
Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky hat vor allem einen Wunsch an 
seine Kollegen auf der Bundesbühne: Sie sollten öfter mal 
hinabsteigen von ihrem Elfenbeinturm und sich das wahre Leben 
anschauen. Nur wenige Minuten vom schicken Regierungsviertel entfernt
könnten Bundespolitiker erfahren, wie ihre Gesetze wirken und wie 
ihre Debatten beim Volk ankommen.
Leider geschieht das kaum, auch im Wahlkampf nicht. Als 
SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier diese Woche sein 
Schattenkabinett vorstellte, ging es nicht um eine Konfrontation mit 
der echten Welt der Hauptstadt, sondern um weich gezeichnete Bilder 
in einem idyllischen Park ohne Griller und spielende Kinder. Die 
Limousinen der Teammitglieder rollten aus der großen Stadt heraus 
nach Potsdam-Hermannswerder. Dass darunter mit Klaus Wowereits in der
Öffentlichkeit weitgehend unbekannter Senatskanzleichefin Barbara 
Kisseler eine Berliner Kulturexpertin war, ist eher ein Zeichen für 
die personelle Schwäche der SPD denn für die Wertschätzung der 
Berliner Verhältnisse.
Berlin wird zwar gerne als Labor für Deutschlands Zukunft 
beschrieben, wenn es um Integration, Bildung, Familien und Umgang mit
Arbeitslosigkeit geht. Aber ihre Wähler daheim in Bottrop oder Passau
wollen die Politiker dann doch nicht verschrecken mit zu viel Stoff 
aus dem fernen Osten, wo nach Wahrnehmung vieler Deutscher noch immer
vor allem ihre Steuergelder verbraten werden. Berlin taugt auch 
deshalb nicht als Wahlkampf-Plattform, weil hier die Rot-Roten 
regieren, und das ist vielen Deutschen unheimlich. Nicht von ungefähr
schlägt Klaus Wowereit, der für ein solches Bündnis steht, das 
Misstrauen der SPD-Oberen entgegen. Ihm bleibt nur eine Nebenrolle im
Wahlkampf.
Berliner wären zwar auch ohne Steinmeiers Schatten-Kulturministerin 
aus dem Roten Rathaus in den Parteien durchaus prominent vertreten. 
Grünen-Spitzenfrau Renate Künast, Linken-Frontmann Gregor Gysi, ja 
selbst die Christdemokratin Angela Merkel kann mit Wohnsitz an der 
Museumsinsel als Berlinerin durchgehen. Themen aus dem Realitätslabor
Berlin spielen jedoch eher die zweite Geige. Über Konzepte zur 
besseren Integration, Bildung oder Familienpolitik wird kaum 
gestritten. Das Hauptthema des Wahlkampfes, der Umgang mit der 
Wirtschaftskrise, zieht eher in starken Industrieregionen. Dort 
fürchten die Menschen den Abstieg eher als in Berlin, wo viele Bürger
seit Jahren mit der Dauerkrise im Schatten des Raumschiffs Reichstag 
zu leben gelernt haben.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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