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Berliner Morgenpost: Manchmal ist sogar die Kanzlerin machtlos - Kommentar

Berlin (ots)

Vor genau einem Jahr wussten wir alle: Der
Subprime-Kredit löste die gigantische globale Finanzkrise aus. 
Millionen Amerikaner gaben Geld aus, das sie nicht hatten. Banken 
verpackten und versteckten die Risiken kunstvoll, gern übrigens bei 
deutschen Landesbanken. Es ist Wolfgang Schäuble zu danken, dass er 
schon in den Koalitionsverhandlungen jeden Verpack- und 
Versteckversuch für neue Schulden unterband. Die aktuelle 
Steuerschätzung bestätigt den Finanzminister. Und der fragt zu Recht:
Wie kann der hoch verschuldete Staat angesichts sinkender Einnahmen 
Geld ausgeben und zudem noch auf Steuern verzichten? Die von Angela 
Merkel bisweilen zitierte schwäbische Hausfrau kennt ein gutes Rezept
dagegen: Geld zusammenhalten.
Wer den Werbetext für eine revolutionäre neue Schlankheitswunderpille
liest, der weiß ja auch: Man kann die teuren Pillen ausprobieren - 
aber die Enttäuschung, man hat es geahnt, ist eingebaut. 
Steuersenkungsversprechen im Wahlkampf sind ähnlich seriös wie 
Diät-Reklame: Sie wiederholen sich regelmäßig alle vier Jahre, 
stimmen aber selten. Dennoch wird gern daran geglaubt, auch wider 
besseres Wissen. Wer aber die vielfach verflochtenen Machtebenen 
dieses Landes kennt, die auch von Föderalismuskommissionen nicht zu 
entwirren sind, der weiß: Weder Kanzlerin noch FDP-Chef, nicht mal 
ein bayerischer Ministerpräsident können weitreichende 
Steuererleichterungen versprechen. Warum nicht? Weil sie diese 
Versprechen nicht halten können. Die drei haben im Wahlkampf etwas 
zugesagt, was außerhalb ihres Geltungsbereichs liegt. In Steuerdingen
sind die Berliner Würdenträger nämlich de facto ziemlich machtlos.
Durchaus absichtsvoll sieht das Grundgesetz vor, dass den Ländern bei
den Finanzen ein Mitspracherecht zusteht. Außerdem sind noch Kommunen
im Spiel, denen ihre Haushalte schon jetzt um die Ohren fliegen. Weil
nahezu jede Steuererleichterung auch auf Kosten von Bundesländern und
Städten geht, setzen Ministerpräsidenten und Bürgermeister nun alles 
daran, ein Solo der neuen Bundesregierung zu verhindern. Der 
Bundesrat braucht nicht unbedingt eine SPD-Mehrheit, um eine 
CDU-Kanzlerin zu bremsen. Am Ende hat auch der Bürger ohnehin wenig 
davon, wenn er 20 Euro Steuern weniger zahlt, aber 30 Euro mehr 
Gebühren.
Steuerschätzern ist zwar nicht unbedingt mehr zu glauben als 
Wirtschaftsprognostikern, aber fest steht: Niedrigere Steuern 
bedeuten noch weniger Einnahmen, noch höhere Schulden und noch 
weniger Spielraum wegen eines gigantischen Schuldendienstes. Ein zum 
Sparen neigendes Volk wird diese doppelte Belastung des Haushalts 
durch ein Konsumfeuerwerk kaum einspielen.
1982, beim Start der letzten schwarz-gelben Regierung, lautete das 
Motto: Arbeitsplätze haben Vorrang. Denn wer sein eigenes Geld 
verdient, braucht keine Sozialtransfers und schont den Haushalt. So 
wird das Land wirklich entlastet.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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