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Berliner Morgenpost: Hochmut der Macht kommt vor dem Fall - Leitartikel

Berlin (ots)

Für Klaus Wowereit hätte der gestrige Tag nicht
übler laufen können. Kaum 24 Stunden, ehe er sich beim 
SPD-Bundesparteitag zum stellvertretenden Vorsitzenden seiner SPD 
wählen lassen möchte, haben ihm die eigenen Leute im Berliner 
Abgeordnetenhaus die Gefolgschaft verweigert. Die Staatssekretärin in
der Bauverwaltung, Hella Dunger-Löper (SPD), wird nicht Präsidentin 
des Landesrechnungshofes, wie das der Regierende, der Senat und die 
Spitzen der Koalitionsfraktionen ausgeheckt hatten. Zwei Abgeordnete 
der Koalition verweigerten dem Vorschlag des Senats die Zustimmung. 
Die Bewerberin zog zurück. Rot-Rot schlitterte in die schlimmste 
Krise seit Bestehen der Koalition.
Offensichtlich steht die Spitze der SPD so dermaßen unter internem 
Druck, dass sie sich wider alle Vorsicht auf das riskante Spiel 
eingelassen hat, trotz massiver Kritik der versammelten Opposition an
dem Personalvorschlag festzuhalten. Die SPD-Frauen drängen seit 
langem darauf, bei der Vergabe von Spitzenjobs berücksichtigt zu 
werden. Es entpuppte sich nicht erst gestern als kapitaler 
politischer Fehler Wowereits, diesem Drängen ausgerechnet bei der 
Besetzung des sensiblen Verfassungsorgans Rechnungshof nachgegeben zu
haben. Die Opposition zeigte sich von Anfang an zu Recht empört 
darüber, dass hier ein direkter Wechsel aus einem der 
skandalträchtigsten Teile der Exekutive, der Bauverwaltung, auf den 
Posten der wichtigsten Finanz-Kontrollinstanz des Landes stattfinden 
sollte. Auch aus der Linken drang zunächst deutliche Skepsis. Nur aus
Rücksicht auf eine angeschlagene SPD haben die Koalitionspartner sich
durchgerungen, den Vorschlag mitzutragen. Diese Ausgangslage hätte 
ausreichen sollen, die Idee zu verwerfen - selbst wenn man 
Dunger-Löper für eine qualifizierte Präsidentin hält. Man setzt nicht
seine Zwei-Stimmen-Mehrheit ein, um ein überparteiliches, 
unabhängiges Verfassungsorgan bis weit über die Legislaturperiode 
hinaus zu besetzen. Die Institution Rechnungshof hatte schon vor der 
Niederlage Schaden genommen.
Es ist der Hochmut einer zu lange siegesgewohnten Koalition, der 
gestern zu Fall kam. Es spielt keine Rolle, ob die U-Boote aus der 
SPD oder der Linken kamen. Egal auch, ob die Abweichler Wowereit 
treffen wollten, oder die Kandidatin, oder ob sie befürchteten, die 
Gewaltenteilung könne geschwächt werden.
 Die Folgen sind eindeutig: Die Koalition kann sich ihrer Mehrheit 
nicht mehr sicher sein. Nicht mit Drohungen, Appellen und 
Probeabstimmungen schaffen es die Oberen noch, ihre Leute zu 
disziplinieren. Und dass, obwohl die Parlamentarier wissen mussten, 
dass es diesmal keinen Denkzettel geben konnte, sondern nur eine 
totale Niederlage. Anders als 2006, als Wowereit im ersten Wahlgang 
durchfiel, war gestern kein zweiter Versuch möglich. Was muss für ein
Klima herrschen in Fraktionen, wo sich Volksvertreter nicht trauen, 
ihre Bedenken offen zu äußern, sondern im Stillen das Messer zücken? 
Die SPD muss ihren Politikstil dringend überdenken. Oder sie wird 
wieder scheitern.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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