Berliner Morgenpost: Zusatzhypotheken für die Generation Übermorgen - Leitartikel
Berlin (ots)
Wie das Ganze ausgeht, wussten die Haushälter der schwarz-gelben Koalition schon, als es die schwarz-gelbe Koalition noch nicht einmal gab. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das damals noch Steuersenkungsversprechen hieß, werde dem Bund schon noch ein paar Zusatzausgaben bescheren. Diejenigen nämlich, die anfielen, um den Ländern ihre Zustimmung zu diesem Gesetz abzukaufen. Bis in den späten Abend des Tages vor der Bundesratssitzung werde dann entsprechend gefeilscht auf Teufel komm raus. Die Rechnung gehe an die Allgemeinheit, vorzugsweise an den Steuerbürger der übernächsten Generation. Und so kommt es nun auch. Unser künftiger Steuerzahler hat damit allerdings ein doppeltes Handicap: Er wird einer unübersehbaren Armee von Leistungsempfängern gegenüberstehen, deren Bedarf er ebenso zu finanzieren hat wie jene Schulden, die der Großteil genau dieser Leistungsempfänger, die zukünftigen Rentner, ihm hinterlassen hat. Aus dieser Falle wird dann kein Wachstumsbeschleunigungsfolgegesetz der Welt mehr helfen können. Dies bedenke, wer in diesen dunkelwarmen Dezembertagen den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen senken, ein Betreuungsgeld einführen oder vergleichbar zweifelhafte Präsente unter die Leute bringen möchte. "Ihr habt sie doch nicht mehr alle", soll der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen seinen politischen Kumpanen in diesem Zusammenhang wörtlich bescheinigt haben. Das ist ein Tonfall, der nicht unbedingt dem Komment des Berliner Politik-Adels entspricht, aber der emotionale Ausruf des finanziell ohnehin schon bewegungsunfähigen Nordfriesen trifft den Nagel womöglich sehr viel präziser auf den Kopf als die nüchternen Analysen jener schwarz-gelben Regierungsökonomen, die Bund, Länder und Gemeinden derzeit um Kopf und Kragen rechnen. Das Verdikt des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Rüttgers zum Beispiel, man müsse jetzt unbedingt in Wachstum investieren, um rauszukommen aus der Abwärtsspirale, gleicht jenem eines Wettspekulanten, der sich zwangsläufig auf der Siegerseite wähnt, indem er jede verlorene Wette mit doppeltem Einsatz bei der nächsten ausgleicht. Das geht eine Weile gut, aber irgendwann ist Schluss mit lustig und die Pleite unvermeidbar. Dass Rüttgers dieses Fazit ein halbes Jahr vor seiner Landtagswahl nicht ziehen möchte, ist verständlich, wird aber auch für alle anderen teuer. Man liest viel in diesen Tagen darüber, dass Angela Merkel sich streitet mit Bankern und Bankiers über die Unfähigkeit dieser, aus der Finanzkrise des vergangenen Jahres die passenden, ein ähnliches Desaster vermeidenden Konsequenzen zu ziehen. Die kommenden Tage wären der richtige Zeitpunkt, in diesen Streit auch mit Politikern einzutreten, die Klientelpolitik immer noch mit Wirtschaftspolitik zu verwechseln scheinen. Und die drauf und dran sind, dem Land in sehr schwierigen Zeiten Zusatzhypotheken aufzuladen, die auch die Generation Übermorgen nicht mehr wird abtragen können.
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