Alle Storys
Folgen
Keine Story von BERLINER MORGENPOST mehr verpassen.

BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Kein Schlussstrich beim Stasi-Unrecht

Berlin (ots)

Das Stasi-Unterlagengesetz wurde zuletzt vor drei
Jahren novelliert. Es war ein einziges Debakel. Der in den Bundestag 
eingebrachte Entwurf sah vor, die Regelüberprüfung von Mitarbeitern 
in Behörden auf eine Verstrickung mit der DDR-Geheimpolizei ein für 
allemal zu beenden. Zugleich hätte die Birthler-Behörde dann auch 
öffentlichen und gemeinnützigen Stellen keine Auskünfte mehr über 
Stasi-Kontakte von hochrangigen Personen des gesellschaftlichen 
Lebens - Parlamentarier, Sportfunktionäre, Kulturschaffende - 
erteilen dürfen. Es drohte nicht weniger als die schärfste Zäsur in 
der Geschichte der DDR-Aufarbeitung. Die Abgeordneten planten eine 
"Operation Schlussstrich", die allerdings gerade abgewendet werden 
konnte. Aufgeschreckt durch heftige Proteste von Opferverbänden und 
Aufarbeitungsinitiativen, entschloss man sich im letzten Moment, den 
Gesetzesentwurf zu überarbeiten. Die Frist für die Überprüfung wurde 
in einem chaotisch anmutenden Verfahren bis Ende 2011 verlängert. 
Dieses Datum rückt nun näher, und deshalb besteht erneut 
Handlungsbedarf.
Anders als vor drei Jahren hat das Parlament nun von sich aus die 
Initiative ergriffen. Dazu bedurfte es dieses Mal keines Drucks von 
außen. Jedoch befeuerten die Stasi-Fälle in der Brandenburger Politik
die Debatte. Im Bundestag haben gestern die Fraktionen von CDU, SPD, 
FDP und Grünen zu erkennen gegeben, dass sie mit deutlicher Mehrheit 
dafür stimmen werden, die Stasi-Checks bis 2016 auszuweiten - 
möglicherweise sogar mit der Option einer weiteren Verlängerung. 
Dieser Sinneswandel ist bemerkenswert und alles andere als 
selbstverständlich. Noch vor 20 Jahren sprachen sich selbst namhafte 
Politiker wie Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble dafür aus, die 
Hinterlassenschaft von Mielkes Spitzelapparat im Reißwolf 
verschwinden zu lassen. Das große Wegsehen, das damals am 
entschiedenen Widerstand der Ostdeutschen scheiterte, ist 
mittlerweile offenbar nicht mehr konsensfähig. Vielmehr scheint sich 
die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass man einer totalitären 
Vergangenheit nicht entfliehen kann, indem man die Dinge unter den 
Teppich zu kehren versucht.
Kurioserweise ist die gewachsene Sensibilität nicht zuletzt der 
Linkspartei zu danken. "Honeckers Erben", wie sie der 
Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe nennt, haben in Brandenburg zu 
erkennen gegeben, wie stark sie nach wie vor mit dem SED-Regime 
verquickt sind. In der Fraktion im Potsdamer Landtag hatte jeder 
vierte gewählte Abgeordnete der 26-köpfigen Linken-Fraktion eine 
Stasi-Vergangenheit - das ist bundesweit Rekord. Mehrere 
Parlamentarier haben ihre Verantwortung vertuscht und verleugnet. 
Dies hat bundesweit Aufsehen erregt und viele Befürworter eines 
Schlussstriches verstummen lassen. Einzig die Linke wehrt sich nahezu
geschlossen gegen die Fortsetzung der Durchleuchtung. Sie wird 
wissen, warum. Anders als behauptet, nimmt der Wille zur Aufklärung 
in dieser Partei nur einen geringen Stellenwert ein.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
  • 27.01.2010 – 20:28

    Berliner Morgenpost: Zweierlei Lehren aus einem Krieg (Kommentar)

    Berlin (ots) - Vielleicht hat es einen tieferen Sinn, dass der israelische Präsident Schimon Peres gerade jetzt vor dem Bundestag spricht, wo die Bundesrepublik sich wegen Afghanistan wie selten zuvor in ihrer mehr als 60-jährigen Geschichte mit Fragen von Krieg und Frieden plagt. Denn die Lehren, die Peres und sein Land aus der Schoah zogen, sind ja ganz andere als die, welche die mehrheitliche pazifistisch ...

  • 26.01.2010 – 20:18

    Berliner Morgenpost: Was Angela Merkel von Obama trennt

    Berlin (ots) - Auch wenn der amerikanische Präsident Obama nach seinem ersten Jahr im Amt eher enttäuschte Kritiken ertragen musste, so hat er doch auf drei hart umkämpften Politikfeldern Spuren hinterlassen: Erstens soll nahezu jeder Amerikaner in den Genuss einer Gesundheitsversorgung kommen - übrigens orientiert am deutschen Vorbild. Zweitens hat Obama entschieden, dass in Afghanistan nicht weniger, sondern ...

  • 25.01.2010 – 19:35

    Berliner Morgenpost: Das Gesundheitswesen ist und bleibt leider krank - Leitartikel

    Berlin (ots) - Er hat als Mediziner gewusst, worauf er sich einließ. Doch schneller als wohl ohnehin befürchtet, steckt Philipp Rösler mittendrin im gesundheitspolitischen Schlamassel. Noch keine 100 Tage Bundesgesundheitsminister, holt auch ihn die alles entscheidende Kostenfrage ein. Für die jetzt von den ersten Krankenversicherungen angekündigten ...