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Berliner Morgenpost: Das gute Prinzip und die Empörung der Pharisäer - Leitartikel

Berlin (ots)

Es ist die Stunde der Pharisäer. Jener auch bei uns
gar nicht so seltenen Spezies, die "Haltet den Dieb" schreit, noch 
während sie sich selbst schamlos die Taschen voll stopft. Wahre 
Verteidiger von Recht und Ordnung und Moral wie zum Beispiel die 
Schweizer Bankiersvereinigung.
Um Himmels willen, greint es, ein guter deutscher Staat kann doch 
nicht Zahlen, Daten, Fakten von bösen Datenhändlern kaufen, die diese
womöglich auf illegale Art und Weise erworben haben. Nein, nein, das 
geht nun wirklich nicht. Da macht sich der Rechtsstaat doch ganz übel
die Finger schmutzig.
Nun sind die Pharisäer zwar ein widerwärtiges Völkchen, aber in der 
Sache muss man ihre Einwände schon ernst nehmen. Im Prinzip ist es in
der Tat unerträglich, wenn unser Rechtsstaat aus Steuermitteln 
Diebesgut kauft, somit eine Straftat nicht verfolgt, sondern adelt 
und belohnt und sich zum Komplizen macht, der seinerseits zur 
Verantwortung gezogen werden könnte. Geht gar nicht. So weit das gute
Prinzip.
Zurück zu unseren nicht ganz so sympathischen Moralaposteln. Es wäre 
der Sache schon ausgesprochen dienlich, wenn die Damen und Herren 
Bankvorstände samt ihren politischen Mitstreitern in der Schweiz wie 
hierzulande jenem Maß, das sie an die Prinzipientreue unseres 
Rechtsstaats anlegen, auch selbst gerecht werden könnten. Schweizer, 
aber auch hiesige Institute zeigen allzu oft keinerlei vergleichbare 
Skrupel, ihr Geschäft aber auch noch mit dem allerletzten 
Menschenhändler zu machen, wenn nur der Rubel ordentlich rollt. Dann 
ist kein Betrüger zu schmierig, kein Deal zu eklig, um nicht doch 
noch das schützende Mäntelchen des Bankgeheimnisses zu lüften und 
Unterschlupf zu gewähren. All diejenigen, die heute mit ihrem Finger 
auf Schäuble weisen und "bloß nicht" gurren, sollten sehr genau 
prüfen, wessen Hand sie selber schon gewaschen haben. Das Prinzip, 
nach dem private Geschäfte ruhig schmutzig sein können, Politik aber 
sauber zu bleiben und der Steuerzahler zur Not die Differenz zu 
begleichen habe, ist jedenfalls auf Dauer nicht vermittelbar.
Was lernen wir also? Zumindest, dass Peer Steinbrück ein zwar 
polteriger, im Grunde aber überaus kluger Finanzminister war, der mit
seinen Kavallerieattacken zum Beispiel gegen eidgenössische 
Finanzpharisäer mitten ins Schwarze getroffen hat. Wer Geschäfte mit 
Steuerhinterziehern macht, wer Steuerflüchtlingen hilft, sich 
anderorts ihrer Pflichten zu entziehen, wer sich durch Schweigen der 
Mithilfe zu welchen Verbrechen auch immer schuldig macht, sollte 
nicht länger als nötig mit diplomatischer Zurückhaltung belohnt 
werden.
Er muss im Zweifel vielmehr damit rechnen können, dass auch ein 
deutscher Finanzminister die Güter sehr sorgfältig gegeneinander 
wägt. Und bei dieser Abwägung könnte einiges dafür sprechen, dass der
Erwerb der fraglichen Daten zwar verwerflich ist, der Verzicht auf 
diesen Kauf aber mindestens ebenso.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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