Berliner Morgenpost: Vertrauen schaffen, um Sicherheit zu produzieren - Leitartikel
Berlin (ots)
Mit der Fokussierung der Aufmerksamkeit von Politik wie Öffentlichkeit auf die innenpolitischen Problemfelder gerät in Deutschland die Gefährdung des Weltfriedens bedenklich aus dem Blickfeld. Aber die Fortsetzung der längsten Friedensperiode unserer Geschichte ist keine Selbstverständlichkeit. Die Sicherheitslage auf dem gesamten Globus ist weit bedrohlicher, als es der politische Diskurs außerhalb von Expertenrunden wahrhaben will. Der internationale Terrorismus, die befürchtete atomare Aufrüstung des Iran wie die von weiteren mittlerweile 40 Staaten, denen man den Bau eigener Nuklearwaffen zutraut, sind keine regionalen Friedensbedrohungen, sondern weltweite. Sie gefährden direkt oder indirekt auch uns. Reden ist besser als schießen, pflegte der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt politisch zu predigen. Es kann also gar nicht genug Gespräche und Konferenzen geben, in denen die existenziellen Probleme der Menschheit thematisiert werden. In Berlin haben sich in dieser Woche sieben "elder statesmen" (u. a. Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Henry Kissinger und der frühere US- Außenminister George Shultz) getroffen und für ihre Vision einer atomwaffenfreien Welt geworben. In der Münchener Sicherheitskonferenz sitzen bis morgen aktive Politiker zusammen, um über Abrüstung, Abwehr von Terrorismus und Perspektiven für Afghanistan zu diskutieren. Informelle Treffen wie diese lösen keine Probleme. Aber sie sind als offenes Gesprächsforum weit besser als offizielle Konferenzen bis hin zu ritualisierten Gipfeltreffen geeignet, Meinungen ehrlich auszutauschen und neue Gedanken zu ventilieren. München bietet dafür einmal mehr aufschlussreichen Anschauungsunterricht. Mit der überraschenden Selbstanmeldung des iranischen Außenministers Manuschehr Mottaki kann die Welt endlich testen, ob es der Iran ernst meint, seinen Atomstreit mit dem Rest der Welt zu entschärfen. Eine Bombe in den Händen der Mullahs in Teheran würde Israel und damit zumindest indirekt auch Deutschland bedrohen. Die Reden der Außenminister Russlands und Chinas lassen Aufschluss darüber erhoffen, welche Erwartungen das wieder selbstbewusste Moskau und das zum globalen Mitspieler aufgestiegene Peking für eine gemeinsame Friedenssicherung mit dem Westen hegen. Letzterer - in der Organisationsform der Nato selbst noch auf der Suche nach einer neuen Strategie - muss seinerseits eine zentrale Frage insbesondere der Russen und Chinesen beantworten: Wie ehrlich ist der vom US-Präsidenten Barack Obama proklamierte Abschied vom selbst ernannten Weltpolizisten? Angesichts der veränderten weltweiten Bedrohungslage und neuer globaler Mitspieler kann kein Land, kein Bündnis allein Terrorismus, nukleare Erpressung und letztlich Kriege bezwingen. Das ist nur zu erreichen durch gemeinsames, Vernunft gesteuertes Handeln der Großen dieser Welt. Dafür ist mehr gegenseitiges Vertrauen als bislang nötig. Konferenzen wie die in München bereiten dafür den Boden.
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